Full text: Grenzkultur - Mischkultur?

Wolfgang Brücher und H. Peter Dörrenbächer 
Grenzüberschreitende Beziehungen zwischen dem 
Saarland und Lothringen - Ausdruck einer 
Mischkultur? 
1 Einleitung 
In seinem 1997 erschienenen Buch „Le Bien et le Mal“ schreibt der französi¬ 
sche Philosoph André Glucksmann: „Jamais la France et l’Allemagne ne furent 
économiquement si proches, jamais elles ne furent si culturellement lointaines. 
Leur vie matérielle tourne à la symbiose. Chacune est la cliente de l’autre. Elles 
s’expédient produits et touristes, elles permutent projets et prévisions. Elles 
fusionnent les marchés et construisent la monnaie unique. Mais spirituellement 
elles ne s’entendent pas. Elles se parlent de moins en moins, sinon dans une 
langue tierce réduite au sabir.“1 Es stellt sich die Frage, ob wir im saarländisch¬ 
lothringischen Grenzraum nicht Zeugen einer vollkommen anders verlaufenden 
Entwicklung sind. Entsteht hier nicht eine Mischung beider Kulturen? Sind die 
vielfältigen Beziehungen zwischen dem Saarland und Lothringen nicht 
Ausdruck einer entstehenden „Mischkultur“? 
In der Tat drängt sich die Frage nach der Existenz einer „Mischkultur“ in einem 
Grenzraum geradezu auf, wie unterschiedlich auch immer dieser Begriff defi¬ 
niert werden mag.2 Speziell im unserem Großraum Saarbrücken und dem Osten 
des Département Moselle, kurz Moselle-Est, besteht ein auffällig großes 
Potential der Berührung, Mischung und Durchdringung der hier benachbarten 
Kulturen: 
- Lagen hier nicht die bis in die jüngste Zeit labilsten Grenzen Westeuropas? 
Hat nicht die mehrfach wechselnde territoriale Zugehörigkeit zu einem 
engeren Miteinander der Nachbarn und ihrer Kulturen geführt? 
- Erleichtert nicht der im lothringischen Grenzraum gesprochene deutsche 
Dialekt die gegenseitigen Beziehungen? 
- Queren nicht täglich Tausende von Pendlern die Grenze? 
1 Vgl. Ritzenhofen 1998, S. 100. 
2 Der Begriff selbst erscheint uns nicht unproblematisch. Im Gegensatz zu vielen Wörtern 
mit dem Wortstamm „Misch-“, wie MischYmg, Gemisch, gemischte Gefühle, 
Mricßmasch, denen eine eher negative Wertung anhaftet, soll der Begriff Mrir/ikultur hier 
in einem neutralen Sinn verstanden werden. Der Begriff wird in diesem Sinne angelehnt 
an das Thema der Tagung „Grenzkultur - Mischkultur?“, 
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