Full text: Grenzkultur - Mischkultur?

Peter Thor au 
Unterschiede und Gemeinsamkeiten 
in der Kriegführung zwischen Kreuzfahrern und 
Muslimen 
Nur etwa zwanzig Jahre nach der blutigen Eroberung der Heiligen Stadt und der 
Errichtung des lateinischen Königreichs von Jerusalem schrieb Fulcher von 
Chartres: „Wir, die wir Abendländer waren, sind zu Orientalen geworden; wer 
Römer war oder Franzose, ist hier im Land Galiläer oder Bewohner Palästinas 
geworden, wer aus Reims oder Chartres stammte, ist nun aus Tyrus oder 
Antiochia, Wir haben schon beinahe unsere Heimatorte vergessen. Vielen von 
uns sind sie schier unbekannt oder wir haben sie lange nicht mehr erwähnt ge¬ 
hört. Manche besitzen in diesem Land Häuser und Diener, wie aus väterlichem 
Erbrecht, andere heirateten, aber nicht nur eine Landsmännin, sondern auch eine 
Syrerin oder eine Armenierin, bisweilen auch eine getaufte Sarazenin.“1 
Diese Zeilen drücken recht eindrucksvoll aus, daß sich offenbar viele 
Kreuzfahrer rasch an ihre neue Umgebung gewöhnten und sich dort durchaus 
wohlfühlten. Und in der Tat, es sind der Beispiele viele für die Akklimatisation 
und die Akkulturation der Franken. Beides kann im Grunde auch kaum erstau¬ 
nen. Auf der einen Seite mußten sich die Kreuzfahrer in vielen Bereichen um 
des eigenen Überlebens willen an ihre neue Umwelt anpassen, auf der anderen 
Seite werden sie angesichts der kulturellen Segnungen, die damit verbunden 
waren, dies nur allzu bereitwillig getan haben. 
Ziel der folgenden Ausführungen ist es, der Frage nachzugehen, ob diese 
Beobachtung auch für das Kriegswesen zutreffend ist, oder anders ausgedrückt, 
inwieweit sich Christen und Muslime zur Zeit der Kreuzzüge in ihrer 
Kriegführung bzw. im militärtechnischen Bereich unterschieden, oder ob es auf 
diesem Gebiet eventuell von Anfang an Gemeinsamkeiten gab oder es zu diesen 
erst kam. 
Fulcher von Chartres: Historia Hierosolymitana (1095-1127), hg. von Heinrich 
Hagenmeyer, Heidelberg 1913, B 3 K 37, S. 748. 
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