Full text: Zwischen Deutschland und Frankreich

gilt, so etwa am Grabmal des Philipp von Heinsberg im Kölner Dom aus der Zeit um 
136Q25. 
Die Abdeckplatten der Tumben sind zumeist mit lebensgroßen figürlichen Darstellungen 
der Verstorbenen ausgestattet, die sich in einem eigentümlichen Zwischenzustand zwi¬ 
schen stehend und liegend befinden. Bei diesen Figuren handelt es sich nicht um hinge¬ 
streckte Tote, „sondern irreal aufrechtstehende Gestalten, deren Kleiderfalten vertikal fal¬ 
len und die man, bei geöffneten Augen, später [...] mit dem Kopf auf ein Kissen gebettet 
hat“, so Philippe Aries in seiner Geschichte des Todes26. Als Beispiele seien hier nur die 
erste lebensgroße Gisant-(— Liege-) figur genannt, die Grabplatte für Rudolf von Schwa¬ 
ben, um 1080 im Merseburger Dom,27 die den Herrscher mit nach unten abgeklappten 
Füßen, im Zustand der „Schwebung“, wie Hans Jantzen es nennen würde,28 zeigt, und die 
Gisant-Figur am Grabmal des Pfalzgrafen Heinrich II. in Maria Laach, geschaffen um 
1270/80, die den lebendigen Pfalzgrafen mit weit geöffneten Augen, den Kopf auf ein 
Kissen gebettet, wiedergibt29. 
Diese Ambivalenz von Stehend-Liegend spiegelt sich in der weiteren Entwicklung immer 
deutlicher im körperlichen Zustand der Figuren wieder: Scheinen sich die Dargestellten 
anfangs noch vollkommen lebendig vom Untergrund als Stehfigur abzuheben, überwiegt 
nach und nach der Liegezustand. Hiermit einhergehend ist z.T. auch der Schwebezustand 
zwischen Schlaf (also Leben) und Totenstarre zu bemerken. Die Gisants am Grab zweier 
Mönche aus dem 15. Jahrhundert im Oratorio della Madonnina in Lucca zeigt die Mön¬ 
che auf dem Totenbett mit geschlossenen Augen, den Rosenkranz in Händen30. 
Während also im 12.-14. Jahrhundert der glückselige, das ist der eindeutig lebendige Gi- 
sant, überwiegt, gewinnt im Spätmittelalter der in Stein gehauene Leichnam immer häufi¬ 
ger Gestalt, der nunmehr auch als verwester, von Tieren zerfressener Kadaver dargestellt 
werden kann. Ein Beispiel hierfür ist das Grabmal des Kardinals Jean de la Grange (gest. 
1402) in Avignon, Calvet Museum,31 das den ausgezehrten, ausgetrockneten und mumifi¬ 
zierten Leichnam zeigt, oder aber der Transi (von Hinübergehen) am Grabmal für Franz 
I. de la Sarra (gest. 1362) in La Sarraz, das den aufgequollenen Leichnam vor Augen führt, 
der von Tieren aufgefressen wird32. 
Neben dem Gisant entwickelt sich so seit dem 14. Jahrhundert das Bild des Transi, das 
Bild des Todes, des Leichnams im Prozeß des Verfalls. Der Transi ist Ausdruck eines in¬ 
25 Körner (wie Anm. 22), S. 31. 
26 Aries, Philippe: Bi/der %ur Geschichte des Todes, München / Wien 1984, S. 54. 
27 Panofsky (wie Anm. 22), Abb. 197. 
28 Jantzen, Hans: Deutsche Bildhauer des dreizehnten Jahrhunderts, Leipzig 1925, S. 24f. 
29 Kahsnitz, Rainer: Die Gründer von l^aach und Sayn. Fürstenbildnisse des 13. Jahrhunderts. Germanisches Natio¬ 
nalmuseum Nürnberg vom 4. Juni bis 4. Oktober 1992, Nürnberg 1992, S. 88ff. [Titelabbildung]. 
30 Aries (wie Anm. 26), S. 61. 
31 Aries (wie Anm. 30), S. 63. 
32 Panofsky (wie Anm. 22), Abb. 258, vgl auch Anm. 56. 
631
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.