Druckfassung von 1537 gelesen und findet sie deshalb erstaunlich, weil darin zu erfahren
sei, „daß es doch immer auf eigene Art gewesen, wie adliche Menschen der Not begegnet
sind und wir beweisens auch wieder“57. Klelia erzählt die Geschichte mit behutsamen Än¬
derungen, so daß die Nähe zur Situation der Schwestern immer wieder deutlich wird. Do¬
lores unterbricht den Erzählfluß häufig durch Anspielungen auf den Vater oder die eige¬
nen Vettern, die leider kein Geld hätten, um ihnen zu helfen. Gegen zu viele Details in
Klelias Darstellung erhebt Dolores Einspruch — der Schluß der Geschichte wird raffend
erzählt. Die Anteilnahme von Dolores äußert sich in Ausrufen wie „den nähme ich schon
zum Mann“58. Am Schluß der Geschichte verweist Dolores noch einmal auf den Vater.
Die erreichte Analogie zwischen der Geschichte des Hug Schapler und der ärmlichen La¬
ge der Schwestern findet ihre Akzentuierung in einer Pantomime: „Und bei diesen Wor¬
ten fielen sie einander mit süßer Freundlichkeit in die Arme und lachten und weinten
zugleich und dachten ihres Vaters, und dachten ganz gewiß, der ihnen als Vorbild aller
adlichen Schönheit und Anständigkeit vorschwebte, müsse irgendwo ein gleiches Glück
sich verdienen, und da verloren sie sich in mancherlei Träumen [...]“. Dolores beschließt
diese Szene mit Klagen darüber, „daß dem Adel die Heiratslust so ganz vergangen
schiene; eine glänzende Heirat sei der höchste Preis einer Frau, alle turnierten darauf.“59
In dieser Szene findet die literarische Rezeption des Hug Schapler zunächst ihren Ab¬
schluß. Es ist nicht ohne Reiz, daß diese Szene der beiden verarmten Gräfinnen noch
einmal zumindest an das adlige Sujet und die über mehrere Jahrhunderte hinweg beson¬
ders pikant erscheinende Heirat des Metzgerneffen mit der französischen Königin an¬
knüpft.
Die spätere Beschäftigung mit den Prosaromanen Elisabeths geht auf die romantische
Motivation zurück; umfangreiche Sammlungen werden bis in die zweite Hälfte des 19.
Jahrhunderts hinein vorgelegt und häufig vor allem für jugendliche Leser bearbeitet. Die
größte Sammlung hat Karl Simrock zwischen 1839 und 1851 vorgelegt: in 58 Bänden ver¬
öffentlichte er Übertragungen der „Deutschen Volksbücher“. In Band 9 war ‘Huge
Scheppef enthalten, in Band 11 ‘Der weiße Ritter oder Geschichte von Herzog Herpin
von Bourges und seinem Sohne Löw’. Eine Übertragung von ‘Loher und Maller’ erschien
außerhalb der Sammlung in Stuttgart 1868. Die wissenschaftliche Beschäftigung setzt mit
Hermann Urtels Ausgabe 1905 ein60. Unter den Bearbeitungen von Prosaromanen und
Volksbüchern, die im 19. Jahrhundert in vielen Auflagen erschienen, waren wohl die
meisten für „die Jugend“ bestimmt. Dies führte zu Kürzungen und Purgierungen. Der
Herausgeber Gustav Schwab glaubte „alles entfernen zu müssen“, „was wenn auch an
sich rein, doch eine unreife Phantasie ungebührlich erregen und ihr ungesunde Nahrung
57 Arnim, Achim von: Hollin’s Uebeleben/Gräfin Dolores, hg. von Paul Michael Lützeier, Frankfurt am Main
1989, S. 114. (= Achim von Arnim: Werke in sechs Bänden, Bd. 1).
58 Ebd., S. 122.
59 Ebd., S. 122f.
60 Vgl. Anm. 18.
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