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Der letzte Druck des ‘Hug Schapler’, der auf einen der früheren Drucke zurückgriff, stellt
in mancher Hinsicht ein Kuriosum dar. Er benutzt die Ausgabe Leipzig 1604, ändert je¬
doch den Titel von ‘Hug Schapler’ in ‘Historia von dem streitbaren Helden Hugo Kapet,
welcher durch seine gewaltige Mannheit des Königs Tochter, die schöne Maria und das
Königthum erwarb, auch der Stammvater der lezten Könige von Frankreich wurde’. Für
diese Titeländerung einer ,,Neue[n] deutsche[n] Umarbeitung“, die in Nürnberg 1794 er¬
schien, gibt der „Umarbeiter“ in einem „Vorbericht“ den Grund an: Gegenwärtig interes¬
siere sich das Publikum „für alle Schriften, die durch die neueste Revolution in Frankreich
veranlaßt worden sind“. Überhaupt würden Leser gegenwärtig, nach Auskunft der Me߬
kataloge, an Ritterromanen „ein Behagen“ finden. Das in neuer Umarbeitung vorgelegte
Buch sei „wahrscheinlicher Weise in Lothringen erfunden worden, als die darinn regie¬
renden Nachkommen Karls des Großen durch Hugo Kapet von der französischen Thronfol¬
ge verdrungen worden waren“38. Diese Begründung einer neuen Umarbeitung klingt des¬
halb so erstaunlich, weil der erste Druck des ‘Hug Schapler’ von 1500 besonderen Wert
auf die geschichtliche Bedeutung des Erzählten legte. Der Bearbeiter stellte dem Prosa¬
roman damals die Vita Karls und seiner Söhne nach dem Leitfaden des ‘Loher’ voran.
Aus aktuellem Anlaß erhofft sich der „Umarbeiter“ von 1794 ein besonderes Interesse an
den Anfängen der Kapetinger, deren letzter Vertreter gerade sein Ende unter der Guillo¬
tine gefunden hatte.
Der ironische Ton der Bearbeitung und der Hinweis auf eine eigene Darstellung von der
„wahren Geschichte dieser Usurpation“, die vom „Umarbeiter“ selbst stammt,39 läßt nicht
eindeutig erkennen, ob er sich mit dieser Schrift gegen die Revolution und für das König¬
tum ausspricht. In einem früher eingesehenen Druck dieses Buches aus der Bibliothek
Ludwig Uhlands (Universitätsbibliothek Tübingen) war kein Hinweis auf den Verfasser
dieser Umarbeitung zu finden. Das kürzlich der Universitäts- und Landesbibliothek des
Saarlandes aus der Sammlung Hellwig geschenkte Exemplar trägt mit Bleistift auf dem
Innendeckel den Vermerk J.F. Roth. Johann Ferdinand Roth (1748-1814) war Pastor in
Nürnberg, sowohl Mitglied und Sekretär der Nürnbergischen Gesellschaft zur Beförde¬
rung vaterländischer Industrie, der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der
Künste und nützlichen Gewerbe als auch des Pegnesischen Blumenordens. Er hat zahl¬
reiche Schriften aus den Gebieten der Geschichte und Kunstgeschichte (Lokal- und Wirt¬
schaftsgeschichte Nürnbergs, Biographie Dürers), der Theologie und der Literatur veröf¬
fentlicht. Er ist der Autor einer ‘Geschichte der Thronbesteigung Hugo Kapets, des
Stammvaters der letzten Könige von Frankreich, ein Bruchstück aus der ältern Geschichte
Frankreichs’ (Nürnberg, bei Stiebner 1794, 46 Seiten). Mit den Ereignissen der Revolution
hat er sich noch einmal 1799 in einem Aufsatz ‘Litterarische Bemerkungen die Guillotine
38 Historia von dem streitbaren Helden Hugo Kapet, welcher durch seine gewaltige Mannheit des Königs Tochter, die schöne
Maria und das Königthum erwarb, auch der Stammvater der letzten Könige von Frankreich wurde. Neue deutsche Umar¬
beitung, Nürnberg, bey Johann Gottfried Stiebner 1794, Vorbericht [S. I.].
39 Ebd.
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