an wolle [nemen das will ich gerne tun sprach [loher vnd swure esyme auch mit allen sinen] gesel¬
len12
Die gegenseitige Verpflichtung besteht also u.a. im Tausch der Namen, was für ein Jahr
verabredet wird. Mit dem Namenstausch verbindet sich zugleich ein Statuswechsel,13 den
Otte mißbraucht, wenn er recht bald schon sämtliche Privilegien für sich in Anspruch
nimmt, die Lohers Status als Sohn des Kaisers mit sich bringen. Er mißachtet seine Hilfe¬
verpflichtung den frunden und magen gegenüber, denn während er sich am Hof des Königs
aufhält, leben Loher und das Gefolge in einer Herberge in großer ‘Armut’.14
Mit der Vertauschungsgeschichte ist also ein Treuebruch unter Freunden und Verwandten
in Verbindung gebracht, und der Namenstausch steht hier am Beginn einer langen Reihe
von Verstößen, zumal gegen verwandtschaftliche Pflichten. Die Serie widerrechtlicher
Handlungen endet schließlich mit der Hinrichtung Ottes. Der Identitätstausch irritiert
mithin die Basis feudaladliger Machtausübung, denn er führt die Instabilität der zentralen
Hilfe- und Treueverpflichtung vor. Indem das Kampfverhalten Ottes zu dem Lohers (und
auch Maliers) in Beziehung gesetzt ist, treten zudem zwei unterschiedliche Männlichkeits-
konstruktionen miteinander in Konkurrenz, wobei Ottes Feigheit und Schwäche im
Kampf unmißverständlich in Opposition zum vorbildlichen Loher gesetzt ist. Die Vertau-
schungs- und Verkleidungsgeschichte ist somit auch dahingehend funktionalisiert, Vor¬
stellungen vom rechten Verhalten eines Adligen abzustützen.
Der Verlauf der Erzählung weist außerdem Elemente auf, die vielen Geschichten eignen,
die einen Identitätstausch thematisieren. Zunächst einmal sind die Maskeraden selbst ge¬
radezu der konkretisierte Ausdruck einer Ordnungsverletzung (Wechsel der Identität), die
dazu weitere stets präsent halten (widerrechtliche Herrschaftsansprüche). Ist der Identi¬
tätstausch wie hier zugleich Element eines Treuebruchs, dann sind Maskeraden mit Ord¬
nungsverletzungen nicht nur unauflösbar verbunden, sondern sie erfahren dadurch auch
eine Verdoppelung. Und da in den Epen überwiegend von Ordnungsverstößen die Rede
ist, die oft erst spät, aber doch regelmäßig eine Korrektur erfahren, werden die an den
Maskeraden Beteiligten außerdem — und damit auch die ordnungsgefährdenden Störun-
gen — gewöhnlich auf die eine oder andere Weise zum Verschwinden gebracht.
Wie im Fall des Namenstausches enden sie deswegen zuweilen mit dem Tod, so auch für
den Stellvertreter König Gormons.15 Ein prophetischer Traum warnt den heidnischen
König während eines Heereslagers vor einem Anschlag auf sein Leben, weshalb er nach
einem Stellvertreter forscht: 'Dar vmb bette ich gerne eynen Kitter Der mynen namen an sich neme
12 ‘Loher’, Hamburg, Bl. 2V und Köln, Bl. 3r; die Handschrift in Hamburg weist an dieser Stelle Textverlus¬
te auf, die nach der Handschrift in Köln ausgeglichen und in eckige Klammern gesetzt sind.
13 Loher ist der rechtmäßige Nachfolger des französischen Königs, der auch die Kaiserwürde innehat, und
der nun nicht als Herr, sondern Dienstmann Ottes agiert.
14 Das verbindet sich neben der unstandesgemäßen Existenz mit Mittellosigkeit im heutigen Verständnis.
15 Gormon ist zunächst Dienstherr, später der Schwiegervater Isenbarts, dessen Geschichte im dritten Teil
des ‘Loher’ erzählt wird.
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