Untersuchung“ gewidmet habe. Er gebe ein umfassendes Bild ihrer „literarhistorischen
Bedeutung“, halte nach allen Seiten „Ausschau“ und erschließe „neue Ausblicke“. Die
Beschreibung der epischen Vorlagen und ihrer Komposition und die kritische Prüfung
neuerer Thesen zum frühneuhochdeutschen Prosaroman (Fr. Schneider, R. Benz und O.
Walzel) wird zustimmend erwähnt. „Namentlich Benz [...] war [...] zurückzuweisen“.
Nach der Charakteristik von Margaretes „Vierepenzyklus aus der Picardie“, Elisabeths
französischen Vorlagen, bringe vor allem der Abschnitt über die „Sibille“ Neues. Das Ge¬
samturteil lautet: „Der Verf. beherrscht seinen Stoff durchaus und entwickelt bei guter
Disposition seine Ansichten in oft scharfsinniger Weise. Das Thema interessiert übrigens
mindestens so wie den Germanisten auch den Romanisten und des Herrn Koll. Voretzsch
Urteil muss dem Ref. deshalb von ganz besonderem Werte sein. Und auch dem Kunsthis¬
toriker ist einige Anregung geboten durch die den Hss. beigegebenen kolorierten Feder¬
zeichnungen, s. R. Schmidt in der Einleitung zu Urtels Huge Scheppel-Ausgabe.“
Der Romanist Karl Voretzsch konnte sich nach dem fünfseitigen Referat des Kollegen
Strauch kürzer fassen. Er nennt die Habilitationsschrift eine „fleißige, gründliche, auch
den philologischen Einzelheiten nachgehende und sie für allgemeine Schlüsse und Ge¬
sichtspunkte verwertende Arbeit, die den Verfasser auch mit den entsprechenden Gebie¬
ten der franz. Literatur vertraut zeigt“. Allerdings seien die Analysen der vier französi¬
schen Quellenwerke nicht von gleichbleibender Qualität. „Die Vorbilder des franz. Lion
de Bourges sind z.B. mit grösserer Gründlichkeit und Originalität behandelt als die Quel¬
len des Loher und Maller, dessen Komposition allerdings noch eine eigene Untersuchung
verlangt. Den Nachweis, dass die deutschen Übersetzungen nicht nach franz. Prosaroma¬
nen sondern nach fr. Versepen gefertigt worden sind, halte ich für gelungen; nicht für
ebenso zwingend den Beweis, dass alle 4 Dichtungen der Übersetzerin schon in zyklischer
Vereinigung zugekommen wären. Die Anfänge der franz. Prosa-Epen drückt der Verfas¬
ser etwas zu tief in das 14. und 15. Jahrhundert hinab“.
Es ist besonders reizvoll, unter den Gutachtern auch Rudolf Unger zu finden, der den
Eindruck einer „gutfundierten, quellenmäßig gründlichen Untersuchung“ gewinnt, die je¬
doch überall das „im engeren Sinne Philologische“ mit „Geschick und Weitblick in den
Dienst umfassenderer literarhistorischer Zusammenhänge zu stellen weiss“. Besonders
überzeuge ihn die Auseinandersetzung mit Walzel und Benz. Die „methodische Anlage
und Durchführung der Arbeit zeugt von Selbständigkeit, Scharfsinn und methodischer
Schulung“.
Der Kunsthistoriker Wilhelm Waetzoldt beschränkt sich auf eine Kritik von Liepes Stil.
Eine „stilistische Durcharbeitung“ des „weitschweifigen“ Stils und „undurchsichtigen
Satzbaus“ seien dem Verfasser dringend anzuraten: „Ein ausgeprägter Sinn für die Form
könnte dem Literarhistoriker nicht schaden.“
Von 1919 an lehrte Wolfgang Liepe in Halle als Privatdozent für Neuere Deutsche Litera¬
tur. 1922 erhielt er einen Lehrauftrag für Theaterwissenschaft und wirkte auch als Drama¬
turg am Stadttheater. Dies führte zu seiner Beteiligung an der Gründung einer Volksbüh¬
ne in Halle, die schnell 20 000 Mitglieder zählte. Liepe war für mehrere Aufführungszyk¬
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