Rodemachern - in den Briefen im Sinne klassifikatorischer Verwandtschaft9 als Neffe be¬
zeichnet —, Johann von Kriechingen, Friedrich von Castel, Dietrich von Püttlingen)10.
Die Briefpartner lassen sich demnach aufgrund der für die mittelalterliche Briefgestaltung
sehr wichtigen Art der Partnerbeziehung drei Gruppen zuordnen: 1) Es besteht ein ir¬
gendwie geartetes Untertänigkeitsverhältnis bzw. eine Hierarchie, bei der Elisabeth auf¬
grund des Standes oder der Situation die Niedrigergestellte ist (gegenüber René / Rein¬
hart, Isabella / Elisabeth, Bischof Konrad von Metz); 2) Elisabeth ist in der Hierarchie die
Höhergestcllte (gegenüber Johann von Kerpen und den Lehns- und Dienstleuten); 3) es
besteht ein mehr oder weniger gleichgestelltes Freundschaftsverhältnis, wobei hier der
Begriff der Verwandtschaft eingeschlossen ist (gegenüber ihrem Bruder Anton von Vau-
démont)11.
Eine weitere für die zugrundeliegende Fragestellung wichtige Anmerkung bezieht sich auf
den Status dieses Streits. Aus den Formulierungen in Elisabeths Briefen wird deutlich, daß
es sich nicht um eine reguläre, also formal korrekt angesagte Fehde handeln kann, auch
wenn die Auseinandersetzung mit Rückgabe- und Schadensersatzforderungen, Ultimatum
und Schiedstagen durchaus einen der regulären Fehde ähnlichen Verlauf nimmt12. So
schreibt Elisabeth beispielsweise an Johann von Kerpen, er habe ihr die Burg, obwohl er
der graffeschafft von Sarhrucken von manneschaff wegen verbuntlich sei, aen vede und aen vigenschafft
und unbewart diner eren abegeiauffen und angewonnen (11. Februar 1432) — Nr. 14. Auch in ei¬
nem späteren Brief an ihre Cousine Isabella betont Elisabeth nochmals, daß der Überfall
aen vede und aen vigenschaff geschehen sei und sie Johann daher faste hohe, hart und swerlich bede-
dinget und an sine ere geschuldiget habe (19. April 1432) - Nr. 27.
Eisbet Orth betont die wichtige Rolle der Ehre im Fehdewesen, die durch eine formelle
Fehdeerklärung, einen sogenannten Widersagebrief, „bewahrt“ bleibe13. Zur Unterschei¬
dung von Überfall und Fehde erklärt sie: „Ein Überfall ist durch den Akt des Überfalls
konstituiert, eine Fehde durch die Fehdeerklärung, nicht durch die Fehdehandlung. [...]
Die unzähligen Fälle, in denen jemandem Schaden zugefügt wurde und er darüber klagen
9 Zum Unterschied zwischen deskriptiver und klassifikatorischer Verwandtschaft vgl. Jürgen Herold in
diesem Band, S. 213ff.
10 Zum Verlauf des Streits in den Briefen vgl. Janich, Nina: „Höflichkeit und Streit in Briefen. Die Vars¬
berg-,Fehde4 der Elisabeth von Nassau-Saarbrücken“, in: Brandt, Gisela (Hg.): Historische Soziolinguistik
des Deutschen III. Sprachgebrauch und sprachliche Leistung in sozialen Schichten und sozjofunktionalen Gruppen. Inter¬
nationale Fachtagung Rostock / Kiihlungsbom 15.-18.9.1996, Stuttgart 1997 (Stuttgarter Arbeiten zur Germa¬
nistik 351), S. 95-110, sowie den Beitrag von Jürgen Herold in diesem Band, S. 231-254 und die Edition
der Briefe S. 254-366. Sie werden im folgenden nach ihrem Datum und ihrer Nummer in der Edition
der Varsberg-Korrespondenz zitiert.
11 Ebert, Helmut: „Bemerkungen zur Syntax frühneuhochdeutscher Bittbriefe“, in: Betten, Anne (Hg.):
Neue Forschungen zur historischen Syntax des Deutschen. Referate der Internationalen Fachkonferenz Eichstätt 1989,
Tübingen 1990 (Reihe Germanistische Linguistik 103), S. 224-238, hier S. 225.
12 Orth, Eisbet: Die Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter. Fehderecht und Fehdepraxis im 14.
und 15. Jahrhundert, Wiesbaden 1973 (Frankfurter Historische Abhandlungen 6), S. 39, 64f.
13 Vgl. Orth: Die Fehden (wie Anm. 12), S. 80.
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