König dem Ersuchen des Herzogs und belehnte ihn am 4. Mai 1417 mit der Mark¬
grafschaft sowie allen anderen Besitzungen der Familie Bar, die rechts der Maas gelegen
waren69 70. Indes war die Belehnung eine Sache, die Inbesitznahme eine andere. Adolf hat
sich ungewöhnlich lange intensiv darum bemüht, seine Ansprüche in Oberlothringen
durchzusetzen und ist damit erst gescheitert, als er im Frühjahr 1422 in Gefangenschaft
geriet; indes kann diese letzte Phase hier unberücksichtigt bleiben.
Bemerkenswerter ist die erste von Adolfs Militäraktionen, die der Herzog im Herbst 1417
begonnen hat, und zwar mit Unterstützung durch Herren der Region in Oberlothringen,
darunter auch Elisabeths Gemahl Philipp'0. Dieser Vorstoß hatte weitreichende Folgen,
denn der Kardinal entdeckte nunmehr den enormen Vorteil, den ihm seine älteste
Schwester bei der Abwehr des Ehemannes der jüngsten bieten konnte: Yolande die Ältere
hatte 1379 König Johann von Aragon geheiratet; aus dieser Ehe war eine Tochter hervor¬
gegangen, die wiederum nach ihrer Urgroßmutter Yolande benannt worden war und es
gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Herzog Ludwig II. von Anjou, König von Sizilien,
verstanden hatte, ihre Tochter Marie am 18. Dezember 1413 mit Karl, dem Sohn König
Karls und der Isabeau von Bayern, zu verloben71.
Dieses Ereignis gehörte in den Zusammenhang der Auseinandersetzung am Ende der ers¬
ten Phase burgundischer Herrschaft über Paris, als Johann Ohnefurcht am 23. August
1413 Hals über Kopf die Hauptstadt verließ und die anderen Prinzen der königlichen
Familie sich endlich einmal geschlossen gegen den Burgunder stellten72 Damals schickte
Herzog Ludwig II. die mit seinem gleichnamigen Sohn ordnungsgemäß verheiratete Ka¬
tharina zu ihrem Vater Johann Ohnefurcht zurück und gab seinem Sohn eine Tochter des
Herzogs von Bretagne zur Frau73. Das war ein Affront, den der Burgunder dem Anjou bis
zu dessen Tod (1417) nicht verziehen hat, und dementsprechend besiegelte die auf die
Verstoßung von johanns Tochter folgende Verlobung Karls (VII.) mit Marie dcAnjou ei¬
ne Allianz, deren antiburgundische Prägung noch lange wirksam bleiben sollte74. Den
Kardinal von Bar dürfte dieser Aspekt jedoch zunächst weniger interessiert haben, als die
Hilfe, die ihm Maries Mutter gewähren konnte. Unter Hinweis darauf, daß Yolande die
Ältere bei der Heirat mit dem König von Aragon keine Aussteuer erhalten hatte, haben
69 Edition der Urkunde: Herrmann: „Beziehungen“ (wie Anm. 60), S. 144 ff.
70 Herrmann: „Beziehungen“ (wie Anm. 60), S. 123 f.
71 Religieux (wie Anm. 37), Bd. 5, S. 230: Der König war damals krank. Maßgeblich für die Verlobung war
auf der Seite des Bräutigams dessen Mutter Isabeau. Zu Yolande (der Tochter Yolandes der Älteren,
Schwiegermutter Karls VII.) vgl. Contamine, Philippe: Artikel „Yolande d'Aragön“, in: I^exMA Bd. 9,
1998, Sp. 414 f.
Religieux, Bd. 5, S. 148 ff.
73 Religieux, Bd. 5, S. 160: Et h[ae]c mutabilitas ... inter eos (sc. regem Sicilie et ducem Burgundie), inexpiabilis odii fomi¬
tem ministravit.
74 „Die Partei der Angiovinen“ ist ein Topos bei der Schilderung von Karls VII. Hof. Vgl. z.B. Vale: Charles
VII (wie Anm. 1), S. 22 ff. Oft wird übersehen, daß diese Partei, was die Familie Anjou betrifft, bis in
die dreißiger Jahre hinein aus nur zwei Frauen bestand: Karls Schwiegermutter Yolande und seiner Frau
Marie; letztere scheint sich sehr zurückgehalten zu haben.
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