cherstellten. Sie überbrachten Nachrichten und materielle Hilfeleistungen, erkunde¬
ten sichere Fluchtwege und geleiteten Besucher über die Grenzen. Trotz aller Verfol¬
gungsmaßnahmen sorgten sie so für die Aufrechterhaltung eines rudimentären Ge¬
rne mdelebens.
Der Inquisition blieben diese Aktivitäten nicht verborgen; sie wurden unter Begriffen
wie nunciatio erfaßt und als schwerwiegendes Delikt geahndet. Nicht selten ist in den
Vemehmungsprotokollen ausdrücklich von “Ketzerboten” (nuntii haereticorum) die
Rede, Urteilssprüche heben die strafverschärfende Wirkung der Botengänge hervor.
In der Katharismus-Forschung werden jene nuntii zwar bisweilen als Grenzgänger
apostrophiert,16 eine eingehendere Würdigung ihrer Tätigkeit fehlt jedoch. Die Fülle
des zu sichtenden Materials zwingt auch den vorliegenden Beitrag zu einer exempla¬
rischen Auswahl, die gleichwohl Verbreitung und Bedeutung des Gesamtphänomens
erahnen läßt.
2. Katharische perfecti im lombardischen Exil
Ein ähnlich tolerantes Milieu wie im Languedoc fanden die Katharer des 12. Jahr¬
hunderts in der lombardischen Städtelandschaft vor. Schon um 1190 klagte der Mai¬
länder Bonaccorsi, Städte, Vororte, Dörfer und Flecken seien “angefüllt mit Pseudo¬
propheten”.17 Die polemisch zugespitzte Redeweise18 darf nicht darüber hinwegtäu¬
schen, daß Bonaccorsi recht genau wußte, wovon er sprach; Er selbst war jahrelang
Anhänger der katharischen Lehre gewesen, ehe er reumütig in den Schoß der katholi¬
schen Kirche zurückkehrte.
Zwischen den Katharern des Languedoc und der Lombardei bestand seit jeher ein re¬
ger Austausch, der nicht zuletzt durch die traditionell engen Handelsbeziehungen
beider Regionen begünstigt wurde. Selbst während des Albigenserkreuzzugs rissen
die Kontakte nicht ab.19 Noch 1243 gelang es einem Boten aus Cremona, zum bela¬
gerten Montsegur vorzudrmgen und dem dort eingeschlossenen Katharerbischof
von Toulouse ein Schreiben von dessen Cremoneser Amtskollegen auszuhändigen.
Darin hieß es einladend, die “Kirche” von Cremona erfreue sich ungestörten Friedens
16 Einen “Grenzgänger zwischen Okzitanien und der Lombardei” erwähnt Lothar Baier, Die
große Ketzerei. Verfolgung und Ausrottung der Katharer durch Kirche und Wissenschaft
(Wagenbachs Taschenbuch 191), Berlin 1991, S. 178. Von “passeurs” spricht in ähnlichem
Zusammenhang Jean Duvemoy, Le catharisme: l’histoire des cathares, Toulouse 1979, S.
306.
17 Bonaccorsi, Libellus contra Catharos, in: Jean-Paul Migne (Hg.), Patrologiae cursus com¬
pletus. Series latina 204, Sp. 775-792, hier 778 B: Nonne iam civitates, suburbia, villas et
castella huiusmodi pseudoprophetis plena esse videmus? Zur Datierung des Traktats s.
Arno Borst, Die Katharer (Schriften der MGH 12), Stuttgart 1953, S. 7 f.; zum Zitat ebd., S.
104.
18 Zur neutestamentlich geprägten Aneinanderreihung von civitates, villae und castella s. Mi¬
chael Oberweis, Die Interpolationen im Chronicon Urspergense. Quellenkundliche Studien
zur Geschichte der Reform-Orden in der Stauferzeit (Münchener Beiträge zur Mediävistik
und Renaissance-Forschung 40), München 1990, S. 65-67.
19 Ein Beispiel bei Duvemoy, Le catharisme (wie Anm. 16) S. 304.
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