beginnt für 80.000 Berufstätige jeder Arbeitstag mit einem Grenzübertritt. Diese Re¬
gion verzeichnet damit die umfangreichsten Mobilströme in Europa9. Die Saar-Lor-
Lux-Region ist, weil die freie Zirkulation der Arbeitskräfte ein zentrales Kriterium
für die Integration ist, als „die europäische Modellregion überhaupt“ bezeichnet wor¬
den10 11. Ins Saarland kommen werktäglich etwa 18.000 Menschen aus Frankreich zur
Arbeit, darunter 4.300 Deutsche, die in Lothringen wohnen". Nach Luxemburg
kommen werktäglich 27.000 Menschen aus Lothringen, 9.000 Menschen aus
Deutschland und 16.000 Menschen aus Belgien zur Arbeit. Von 100 in Luxemburg
neu geschaffenen Arbeitsplätzen gehen 80 an Belgier, Deutsche und Lothringer und
nur 20 an Luxemburger. Die Arbeitslosigkeit in Lothringen würde von 10,8 % auf
16 % ansteigen, wenn nicht Luxemburg und das Saarland Ausweichmöglichkeiten
böten12.
Schon diese Zahlen belegen, daß es sich bei dem Problem Grenzgänger nicht um ein
völlig unbedeutendes handelt. Berücksichtigt man nun, daß der Wunsch der Bürger
der Europäischen Union nach Mobilität immer weiter zunimmt und daß es Ziel der
Europäischen Union ist, Mobilitätshmdemisse, die noch bestehen, zu beseitigen, so
ist damit zu rechnen, daß auch die Zahl der Grenzgänger sich erhöhen wird.
III.
Nachdem nun bestimmt ist, was hier unter Grenzgängern verstanden werden soll,
wende ich mich den rechtlichen Problemen um die Grenzgänger zu und werde mich
dabei auf einige arbeits- und sozialrechtliche Problemfelder beschränken.
1. Die arbeitsrechtlichen Probleme des Grenzgängers beginnen mit der Frage, unter
welchen Voraussetzungen der Bürger eines Staates überhaupt eine Beschäftigung im
Nachbarland aufnehmen darf. Steht ihm der Zugang zum fremden Arbeitsmarkt un¬
begrenzt offen, oder kann ihm der benachbarte Staat Hindernisse in den Weg legen?
Zieht man exemplarisch das Recht der Bundesrepublik Deutschland heran, so stellt
man fest, daß Ausländer zur Arbeitsaufnahme grundsätzlich eine Aufenthaltsgeneh¬
migung nach § 3 Ausländergesetz (AuslG) und darüber hinaus eine Arbeitserlaub¬
nis nach § 19 des Arbeitsforderungsgesetzes (AFG) benötigen. Würde dieser Grund¬
satz uneingeschränkt gelten, dann träfe er auch den französischen Arbeitnehmer aus
Forbach, der allmorgendlich die deutsche Grenze passieren will, um seinen Lebens¬
unterhalt in einem Saarbrücker Betrieb zu verdienen. Daß dies nicht der Fall ist, liegt
daran, daß den Arbeitnehmern der Europäischen Union durch Art. 48 des EG-Vertra-
ges (EGV) das Recht auf Freizügigkeit in allen Mitgliedsstaaten gewährleistet ist13.
9 FAZ v. 15.4.1997, S. 5 „Euro-Berater helfen Grenzpendlem“; FAZ v. 7.12.1996, S. 16
„Zwischen Saar, Maas und Mosel pendeln 80.000 Arbeitnehmer“.
10 FAZ v. 7.12.1996, S. 16 „Zwischen Saar, Maas und Mosel pendeln 80.000 Arbeitnehmer“.
11 FAZ v. 15.4.1997, S. 5 „Euro-Berater helfen Grenzpendlem“.
12 Saarbrücker Zeitung vom 17.9.1996, S. 5 „Mit Steuern gegen Grenzgänger“.
13 Entsprechende Garantien enthalten Art. 69 des EGKS-Vertrages sowie die Art. 2 lit. g und
96 des Euratom-Vertrages. Ihr Anwendungsbereich ist jedoch auf die „anerkannten Kohle-
und Stahlfacharbeiter“ bzw. auf die Fachkräfte der Kernindustrie beschränkt.
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