schiedenen tschechischen Betrieben und als Hausangestellte bei Privatpersonen tä¬
tig
2.2. Wie wurden Sorben Grenzgänger?
2.2.1. Die Funktion der Domowina
Erste Kontakte der Sorben mit tschechoslowakischen Stellen wurden unmittelbar
nach Kriegsende über den bereits am 9. Mai 1945 gebildeten Lausitzisch-Sorbischen
Nationalausschuß (Narodny wuberk = NW) in Prag, einem Gremium von Exil-Sor¬
ben, und vermittelt durch einflußreiche tschechische Sympathisanten aufgenommen.
In einer Grußadresse zum Sieg über Deutschland vom 9. Mai an den tschechischen
Nationalrat heißt es u.a., daß die Sorben „neue Lebenskraft schöpfen und davon über¬
zeugt sind, daß sie mit Hilfe der Verbündeten die Herausbildung eines selbständigen
Ganzen in enger Verbindung mit der Tschechoslowakei“3 erreichen werden. Der Hi¬
storiker Peter Schurmann stellte hierzu fest: „Am zweiten Tag nach der Rückkehr der
tschechoslowakischen Exilregierung kam es zu Verhandlungen mit dem stellvertre¬
tenden Regierungschef, J. David. Bei der sich anschließenden Audienz beim Mini¬
sterpräsidenten J. Fierlinger in Anwesenheit seiner Stellvertreter K. Gottwald und J.
David wurde über die Erstellung eines Memorandums beraten, welches auch den
Wünschen der Domowina entsprechen sollte. Insofern genoß [- so Schurmann -] der
NW nicht nur Sympathie, sondern hatte auch eine gewisse Lobby in Regierungskrei¬
sen der Tschechoslowakei.“5 6 Zur tschechischen Lobby für die Sorben zählte auch die
von Intellektuellen getragene Freundschaftsgesellschaft mit den Sorben (Sdruzeni
Prätel Luzice) in Prag. Am 17. Mai 1945 bevollmächtigte die Domowina in Bautzen
ihren Vorsitzenden Dr. Jan Cyz sowie dessen Stellvertreter Jan Meskank, mit allen
zuständigen tschechoslowakischen Behörden im Interesse des sorbischen Volkes
und beider Lausitzen zu verhandeln7.
In den folgenden Monaten entwickelte sich die Domowina zu einer maßgeblichen
Stelle, die das Grenzgängerwesen der Sorben regelte. Auf tschechischer Seite war
hierbei zunächst der Lausitzisch-Sorbische Nationalausschuß tätig, 1947/48 wurde
dann verstärkt die Gründung der „Domowina in der Tschechoslowakei“ forciert, die
nach der amtlichen Zulassung durch das Prager Innenministerium Anfang 1948 er¬
folgte.
Die grenzüberschreitenden Tätigkeitsbereiche der Domowina und des Sorbischen
Nationalrats waren:
1. Werbung von Interessenten für einen Schulbesuch oder eine berufliche Tätigkeit in
der Tschechoslowakei, Vermittlung von Arbeits- und Ausbildungsstellen (bis ca.
November 1946).
2. Ausstellung von Dokumenten, die den Grenzübertritt und Aufenthalt in der Tsche¬
choslowakei ermöglichten.
5 Sorbisches Kulturarchiv Bautzen (nachfolgend SKA), Akte D II 4.4. A, Bl. 1.
6 Peter Schurmann, Zwischen Selbstbehauptung und gesetzlicher Regelung von Minderhei¬
tenrechten. Die Sorbische Bewegung und das Ringen ihrer Organisationen um ethnische
Gleichberechtigung (1945 - 1948), Dissertation, Bautzen 1997, S. 34.
7 SKA, Akte D II 4.4. A, Bl. 9.
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