derstatus für Elsaß-Lothringen, den er in rechtlicher, politischer und administrativer,
aber vor allem auch in sprachpolitischer Hinsicht abgeschafft sehen wollte. Ähnlich
wie René Schickele ein kultureller Grenzgänger par excellence, der aufgrund seiner
familiären und schulischen Akkulturation die deutsche und französische Kultur bis in
die Feinheiten ihrer soziokulturellen und soziolektalen Register hinein beherrschte
und sich noch 1909 im Sprachenstreit für die Zweisprachigkeit der elsässischen
Grundschule engagiert hatte, avancierte Jean-Jacques Waltz nach der Rückgliede¬
rung Elsaß-Lothringens an Frankreich zu einem entschiedenen und kompromißlosen
Gegner sowohl der bilingualen Schulerziehung als auch politischer Institutionen wie
des Hochkommissars in Straßburg. Diese betrachtete er als eine Fortführung rechtli¬
cher Strukturen der Reichslandzeit, “susceptible de favoriser Fautonomisme et la
survivance d’idées germaniques, dont il voyait le pays infesté”, wie Joseph Fleurent
in seinem Nachruf auf Jean-Jacques Waltz 1951 formulierte.13 Waltz warf vor allem
dem elsässischen Klerus vor, durch die Förderung des Deutschunterrichts einer kul¬
turellen und letztlich (aus seiner Sicht) auch politischen Re-Germanisierung des
Elsaß Vorschub zu leisten. Mit Rücksicht auf die vorherrschende politische Meinung
und mit zuvoreilendem Gehorsam gegenüber den neuen politischen Autoritäten
lehnte die Colmarer Zeitung in den zwanziger Jahren, anders als vor 1914, es mehr¬
fach ab, kritisch-satirische Beiträge von Waltz abzudrucken, der sich enttäuscht und
desillusioniert auf seine Tätigkeit als Konservator des Museums Unterlinden in Col¬
mar (er hatte 1924 die Nachfolge seines Vaters angetreten) zurückzog. Im publizi¬
stisch-künstlerischen Bereich verlegte er sich in der Folge auf eher politikfemere Ge¬
biete wie Wappenkunde, Landschaftsmalerei, Städteporträts sowie regional-histori¬
sche Forschungen.
II “Le paradis tricolore”14 - von der “Grande Nation”
zur “Petite patrie” alsacienne
Im Zentrum des publizistischen und künstlerischen Werkes von Jean-Jacques Waltz
steht die Mythologisierung des Elsaß: das heißt die Konstruktion einer kulturellen
Identität und zugleich einer kulturellen Differenz, die eine gleichermaßen politische,
ethnographische, pädagogische und regionalhistorische Dimension aufweisen. Wer¬
ke wie Mon Village aus dem Jahre 1913, die Histoire de l’Alsace racontée aux petits
enfants d’Alsace et de France gleichfalls von 1913 und Le Paradis tricolore von
1918, die zu den herausragenden Buchhandelserfolgen von Waltz zählen und bis in
die Gegenwart hinein neu aufgelegt worden sind, erscheinen symptomatisch für die
zeittypische Verknüpfung von nationalem Patriotismus und der Erfindung einer re¬
gionalen Identität, deren Ursprünge Waltz in der französischen Annexion des Elsaß
Mitte des 17. Jahrhunderts sah. Die einleitenden Sätze des Kapitels “F Alsace françai¬
se” seiner als Kinder-und Jugendbuch konzipierten Histoire de l’Alsace betrachteten
13 Joseph Fleurent, Hansi, sa vie, son œuvre, in: Saisons d’Alsace 1 (1952), S. 17-38, hier S.
30.
14 Vgl. das gleichnamige Buch von [Jean-Jacques Waltz] Hansi, Le Paradis tricolore, petites
villes et villages de l’Alsace déjà délivrée, un peu de texte et beaucoup d’images pour les
petits enfants alliés, par l’oncle Hansi. Préface de Louis Weizenacker, Paris 1918, 39 S,
117