“Der deutsche Bauer nach dem Krieg.”' Die propagandistische Pastiche deutscher
Publizistik während des Ersten Weltkrieges schloß an erste, tastende Versuche der
Pastiche - das heißt der parodierenden Imitation - alldeutscher und pangermanischer
Diskurse an, die Waltz 1908 in der Zeitung Die Westmarken und 1909 im Supplément
du Nouvelliste d'Alsace-Lorraine dargelegt hatte7 8. Das von Waltz verwendete rheto¬
rische Verfahren bestand darin, durch hyperbolische Übertreibung deutschnationale
Diskurse zu entlarven. So veröffentlichte Waltz im Nouvelliste d’Alsace-Lorraine
1909 ein Plakat mit dem Porträt eines deutschen Lehrers, das folgende Überschrift
trug: “Gegen die Verwelschung” und den nachfolgenden Text enthielt:
“Drei Gründe zwingen uns, den Kampf aufzunehmen gegen den französischen Un¬
terricht und die Verwelschung unseres allemanischen Volksstammes: Und zwar er¬
stens: deutsch-nationale Bedenken. Zweitens: pädagogisch-technische Rücksichten.
Drittens: Weil wir selber kein Französisch können.”9
In der Zwischenkriegszeit und in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu sei¬
nem Tode im Jahre 1951 vor allem als Regionalhistoriker und Verfasser illustrierter
Bände zu elsässischen Landschaften und Sehenswürdigkeiten sowie zur Wappen¬
kunde tätig, behielt Waltz seine bereits vor 1914 entwickelten Aktivitäten im Bereich
des kommerziellen Zeichnens und Industriedesigns, mit denen er einen wesentlichen
Teil seines Lebensunterhalts bestritt, bei: Er publizierte zahlreiche Postkarten, zum
Teil mit folkloristischer und teilweise, vor allem in den Jahren 1914-18, auch mit po¬
litischer Motivik, wie zum Beispiel der parodistischen Darstellung nationaldeutscher
Tugenden wie “Treue” und “Selbstlosigkeit” (Abbildung n°l). Er entwarf Plakate,
Weinetiketten, Werbehandzettel und Gedenkkarten (etwa aus Anlaß des 300. Jahres¬
tages der Angliederung Colmars an Frankreich im Jahre 1935) sowie Tür- und Ge¬
schäftsschilder, zum Teil in enger Anlehnung an traditionelle Vorbilder, mit deren
Ästhetik ihn sein Vater als Konservator des Colmarer Unterlinden-Museums früh
vertraut gemacht hatte (Abbildung n°2). Er verfaßte und illustrierte außerdem Kalen¬
der, wie beispielsweise den Calendrier de la Société des Potasses d’Alsace, und
schuf Motive für Teller, Ansichtskarten und Tischdecken, denen die Bildmotivik ei¬
nes romantischen, vonndustriellen und idyllischen Elsaß gemeinsam war, “une Alsa¬
ce de tous les temps”, wie sein Biograph Robert Perreau formulierte.10 11 Im Zweiten
Weltkrieg wurden seine Werke vom Militärbefehlshaber in Frankreich, Propaganda¬
abteilung, Referat Schrifttum, in einer Order vom 22.10.1941, die an das Syndicat
des Libraires in Paris gerichtet war, mit folgendem Wortlaut verboten:
“Sie werden ersucht, dem französischen Buchhandel des besetzten Gebietes bekannt¬
zugeben, dass der Verkauf aller Bücher des Verfassers Hansi ohne Rücksicht darauf,
wann und in welchem Umfang sie erschienen sind, verboten ist,”11
7 Vgl. Waltz und Tonnelat, Lignes ennemies, S. 72-73.
s [Jean-Jacques] Waltz, Die Westmarken. Alldeutsche Bilder und Blätter von Hansi, dem
Alldeutschen, Colmar 1912, 4 S.
9 Zitiert nach [Anon.], Les procès de Hansi et leurs suites, in: Saisons d’Alsace 1 (1952),
“Hommage à Hansi - Jean-Jacques Waltz”, S. 64-72, hier S. 67.
10 Perreau (wie Anm. 5), S. 243.
11 Wortlaut des Originaldokuments im Musée Hansi in Riquewihr, ohne Signatur.
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