Generalkapitels im burgundischen Citeaux bei Dijon zu reisen verpflichtet wa¬
ren, bestand hart auf dem Lateinischen als der verbindlichen Kommunikations¬
sprache im Orden. Zugleich erwartete der Orden von seinen Äbten, daß sie die
jeweilige Landessprache beherrschten, was im allgemeinen der Fall war, in
Ländern wie Irland oder Wales jedoch, die unter anglonormannische Fremd¬
herrschaft geraten waren, sich mitunter nicht durchsetzen ließ, zumal einheimi¬
sche Konvente, die oft auch kein Latein verstanden, selbst offen rebellierten.
Berüchtigt ist beispielsweise die ,conspiratio Mellifontis4, eine von der Zisterze
Mellifont im östlichen Irland ausgehende Rebellion zahlreicher irischer Zister¬
zienserklöster in der Zeit zwischen 1216 und 1231.10 Den Hintergrund bildeten
letztlich die Auswirkungen der normannischen Invasion, die auch Irland erfa߬
ten und zunächst die Gründung des Zisterzienserklosters Mellifont im Jahre
1142 begünstigt hatten. Die Abtei gründete ihrerseits zahlreiche Tochterklöster,
und bis 1224 gab es 34 Zisterzen auf der grünen Insel, die als „filiatio
Mellifontis“ organisiert waren. Parallel zu dieser Entwicklung erfolgte aber
eine ungewöhnlich große Zuwanderung angelsächsischer Siedler nach Irland,
was zu harten Versteifungen der irischen Bevölkerung führte und sich auch in
den Zisterzienserklöstem in Form einer betont nationalirischen Ausprägung
niederschlug. Da der Gesamtorden dies nicht hinnehmen wollte, schickte er
unter dem Vorwand notwendiger Klosterreformen Visitatoren, die mit mili¬
tärischer Gewalt sich (meist) durchsetzten und sprachliche Auflagen machten.
Jeder Mönch, sogar schon Novize, mußte Latein sprechen und verstehen -
damit er die Auflagen des Generalkapitels und seiner Visitatoren überhaupt be¬
greife; Äbte überdies das Französische, die allgemeine Verkehrs- und Um¬
gangssprache der auf dem Kontinent gelegenen Mutterabtei Clairvaux, zu deren
Großfiliation die irischen Zisterzen gehörten. Den von Mellifont ausgehenden
bewaffneten Widerstand gegen letztlich anglonormannische Überfremdung
kann man hier nur streifen; er währte 15 Jahre und zielte zentral auf sprachliche
Zumutungen mit ethnischen Konsequenzen. Der Ordensvisitator Stephan Le-
xington, der später selbst Abt von Clairvaux werden sollte, bestand jedenfalls
energisch auf den Sprachforderungen des Generalkapitels der Zisterzienser,
wenngleich er leicht modifizierte: Niemand dürfe künftig in irischen Klöstern
als Mönch aufgenommen werden, nisi qui culpam suam confiteri noverit gallice
vel latine. „Wie aber“, so schrieb er 1228, „könne jemand das Kloster oder ein
Buch lieben, der nichts kennt außer das Irische? So würde nur der Turm von
Babel (wieder) errichtet werden, wo der Schüler den Lehrer nicht verstehe und
weder Unterschiede noch Gemeinsamkeiten wahrgenommen werden, so daß,
wenn einer um ein Brot bitte, der andere statt des Brotes ihm einen Stein reiche
und statt eines Fisches einen Skorpion“.U
O’Dwyer, Barry W.: The Conspiracy of Mellifont, 1216-1231, Dublin 1970 (Medieval
Irish History Series No.2); zu Mellifont vgl. Lexikon des Mittelalters s.v.
11 Lexinton, Stephan: „Registrum epistolarum“ Nr.37, in: Grießer, B. (Hrsg.): Analecta
sacri ordinis Cisterciensis 2 (1946), S. 47.
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