stenz im Konfliktfeld von Territorium-Geschichte-Sprache mit dem auf Ein¬
heitlichkeit drängenden Nationalstaat. Ihre Selbstbehauptung vollzieht sich,
nicht austarierbar, zugleich im Widerstand, in der Abgrenzung, im konservie¬
renden Autonomiestreben der Nationalität gegenüber der Nation und in der
zwischenkulturellen Grenzüberwindung, im geöffneten Kulturkontakt mit dem
Risiko der Assimilation.
Die ,Grenze* 4 erweist sich dabei als zentrale Bedingung und Metapher für Min¬
derheitenexistenz und Minderheitenerfahrung.5 In dem ihr immanenten „Dilem¬
ma von Stabilität und Überwindung“ funktioniert sie als Mittel der temporären
Territorialmarkierung und Sprachraumeinteilung wider die Wirklichkeit der
kulturellen „Durchmischungsräume und Interferenzzonen“. Kulturelle Anglei¬
chung im Kulturkontakt, vor allem aber politische Macht entscheidet im we¬
sentlichen darüber, ob „Entwicklung aus sprachlich durchmischten Räumen zu
sprachlich entmischten Räumen, zur Linearität von Sprachgrenzen für eine
Progression zu halten“ ist.6 Minderheitenexistenz ist darum ,janushaftige‘
(André Weckmann), in der eigenen Identität fortgesetzt ungesicherte Welterfah¬
rung: das „Vakuum seiner eigenen Geschichte“ und der „Anpassungsstreß des
Weltwechsels“ (Schlesak), darum „Alptraum Sprache“ und „Alptraum Politik“
(Wichner), zwischen Heimat als „Zugehörigkeitsraum“ und „Herkunftswelt“
(Motzan), gleichzeitig „Grenzen überwinden und an seinem Ort bleiben“
(Wichner).7 Minderheiten sind strukturell labile, im nationalstaatlichen Ver¬
schichte eines europäischen Irrweges“, in: F AZ vom 27.5.1995; Wenz, Dieter: „Wie ein
zerbrochener Spiegel: Le Pen und das Elsaß - eine Provinz zwischen Frankreich und
Deutschland“, in: F AZ v. 27.5.1995; Wittstock, Wolfgang: „Die Regierung will auch
Farbe bekennen. Zur gegenwärtigen Lage der nationalen Minderheiten in Rumänien“, in:
FAZ v. 25.4.1995.
Schmidt-Henkel, Gerhard: „Grenzen und Literatur. Methoden und Motive der Dissi¬
milation und Assimilation“, in: Haubrichs.Wolfgang und Schneider, Reinhard (Hrsg.):
Grenzen und Grenzregionen, Saarbrücken 1994, S. 267-283. (Veröffentlichungen der
Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung 22). Vgl. auch:
Weckmann, André: Plädoyer für eine deutsch-französische Bilingua-Zone, Straßburg
1991.
Haubrichs, Wolfgang: „Einleitung“, in: Sprachgrenzen. Zeitschrift für Literaturwissen¬
schaft und Linguistik (LiLi) 21(1991), H.83, S.7ff.
[Schlesak, Dieter]: „Abschied von Siebenbürgen“ Ein Gespräch mit Dieter Schlesak (Ge¬
sprächsführung: Stefan Sienerth), in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 43(1994), H.3,
S. 206; Wichner, Emest: „Blick zurück auf die Aktionsgruppe Banat“, in: Wichner, Emest
(Hrsg.): Ein Pronomen wird verhaftet. Texte der Aktionsgruppe Banat, Frankfurt am
Main 1992, S. 7f.; Motzan, Peter: „Schwierigkeiten im Umgang mit der Vokabel
Heimat“, in: Neue Literatur 38(1987), H.8., S. 38f.; Wichner, Emest: „Als hätte es sie alle
nicht gegeben. Zu diesem Band“, in: Wichner, Emest (Hrsg.): „Das Wohnen ist kein Ort.
Texte und Zeichen aus Siebenbürgen, dem Banat - und den Gegenden versuchter
Ankunft“, Die Horen 32 (1987), Nr. 147, S.5.
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