Adrien Finck / Maryse Staiber
„Regionalsprache“ im Elsab
Ein entscheidender Punkt der Sprachenpolitik im Elsaß ist heute die Definition
der „Regionalsprache“ („langue régionale“). Es geht dabei um die doppelte Di¬
mension: „Elsässisch“ (als Sammelbegriff für die elsässischen Mundarten) und
„Deutsch“ (d.h. Hochdeutsch als entsprechende „Standardsprache“, „Schrift¬
sprache“, „Koine“). Dies entspricht einer Forderung der elsässischen Militanz
im Sinne der Zweisprachigkeit: „langue nationale“ (Französisch)/„langue régio¬
nale“ (in dieser doppelten Dimension). 1985 kam es diesbezüglich auch zu einer
Erklärung von Pierre Deyon, dem damaligen Recteur der Académie de
Strasbourg:1
„II n’existe en effet qu’une seule définition scientifiquement correcte de la
langue régionale en Alsace, ce sont les dialectes alsaciens dont l’expression
écrite est l’allemand. L’allemand est donc une des langues régionales de la
France, cela n’était pas facile à dire en 1946, mais il n’y a plus de raison
aujourd’hui de nier l’évidence.“
„Es gibt in der Tat nur eine wissenschaftlich korrekte Definition der
Regionalsprache im Elsaß: sie bezeichnet die elsässischen Dialekte, deren
schriftliche Entsprechung das Deutsche ist. Deutsch ist somit eine der
Regionalsprachen Frankreichs. Es war nicht leicht, das 1946 zu sagen, aber
heute besteht kein Grund mehr, diese Tatsache zu leugnen.“
Daß der „Recteur“ (verantwortlich für das gesamte Unterrichtswesen einer
„Académie“) diese Definition übernahm, und zwar als Basis des in den achtzi¬
ger Jahren eingeführten Unterrichts „Langue et culture régionales“, war von
historischer Bedeutung. Ausdrücklich hob er dabei die wissenschaftliche Be¬
gründung hervor („définition scientifiquement correcte“). Zugleich konnte er
bedeutsam den historischen Kontext erwähnen, die nun bewältigten Schwierig¬
keiten nach dem traumatischen Erleben der Nazizeit. Liegt doch das wesentli¬
che Moment in der anerkannten Verbindung mit dem „Deutschen“! Und dies
bleibt auch weiterhin umstritten. Denn trotz der offiziellen Erklärung, die wei¬
terhin richtungsweisend ist, gibt es ja kein genaueres, rechtliches Sprachensta¬
tut, und immer wieder kommt es zu Einwänden und Widerständen, wobei
Ideologisches und Emotionales mitspielt.
Deyon: Le programme langue et culture régionales en Alsace, S. 9 f.
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