Full text: Sprachenpolitik in Grenzregionen

mit den Ämtern der öffentlichen Verwaltungen in und auch außerhalb der la- 
dinischen Ortschaften ... zu verwenden, und daß die genannten Ämter im 
mündlichen Verkehr in ladinischer Sprache bzw. im Schriftverkehr in italieni¬ 
scher und deutscher Sprache, gefolgt vom ladinischen Text, antworten müssen 
(Art. 32, Punkt 1 und 2). In italienisch- oder deutschsprachigen Prozessen hat 
der Ladiner das Recht, mit Hilfe eines Dolmetschers in seiner Muttersprache 
verhört zu werden (Punkt 4).“ Diese Anerkennung von Ladinisch als Amtsspra¬ 
che aus dem Jahre 1989, d.h. die Gleichstellung mit Deutsch und Italienisch, 
war sicher ein gewaltiger Erfolg und eine Anerkennung Jahrzehnte dauernder 
Bemühungen. Margareth Lardschneider McLean hat 1994 in ihrem Beitrag Die 
ladinische Verwaltungssprache zwischen Italienisch und Deutsch festgestellt: 
„Für die öffentlichen Ämter in den ladinischen Tälern bedeutete die Einfüh¬ 
rung der Dreisprachigkeit einen unglaublichen Aufwand und somit eine zusätz¬ 
liche Belastung. Nach Inkrafttreten des Gesetzes mußten sämtliche offiziellen 
Texte in die ladinische Sprache übertragen werden, und das erforderte, einmal 
abgesehen von den grundsätzlichen Hilfsmitteln, einen enormen Zeitaufwand 
und einen erhöhten Einsatz von kompetentem Personal. Plötzlich war man mit 
unzähligen Problemen konfrontiert.“ Zwischen den Zeilen kann man erahnen, 
daß die Anerkennung des Ladinischen in Südtirol 1989 der Verwaltung große 
Probleme bereitet hat. Für die wenigen ladinischen Übersetzer kam eine Hoch¬ 
konjunktur; für den Sprachwissenschaftler ergab sich die seltene Konstellation, 
daß die Statusplanung die Corpusplanung überholte. Das Dolomitenladinische 
ist eine vorwiegend gesprochene Sprache und besitzt noch keine normierte Ein¬ 
heitssprache. Craffonara (1981, 84) schreibt: „Das Fehlen einer koiné und einer 
einheitlichen Schreibweise trägt natürlich nicht zur Verbreitung des Geschrie¬ 
benen auf interladinischer Ebene bei und erhöht außerdem in spürbarem Maße 
die Kosten für Publikationen und kulturelle Tätigkeit im allgemeinen.“ In die¬ 
ser Situation war es verständlich, daß man an Heinrich Schmid mit der Bitte 
herantrat, eine solche koiné des ladin dolomitan auch für die Ladiner zu schaf¬ 
fen, nachdem er dies auf vorbildliche Art und auf wissenschaftlicher Grundlage 
bereits für das rumänisch grischun getan hatte. 
Die Erschaffung einer solchen koiné ist keine leichte Aufgabe, da jede der vier 
Talschaften um die Sellagruppe ihre eigene lautlich und morphologisch klar 
abgrenzbare Mundart aufweist und weil darüberhinaus noch eine Reihe Unter¬ 
mundarten existieren. Allein für die 8.042 Sprecher des Gadertals unterschei¬ 
den wir das Ennebergische {marèo) und das Abteitalische (badiot), zwei Dia¬ 
lekte, die ihrerseits noch kleinräumigere Differenzierungen erlauben (Holtus/ 
Kramer 1987, 603 ff.). Im Volksboten vom 17.8.1992 schrieb Guntram 
Plangg, daß Heinrich Schmid versucht, „mit viel Arbeit, Kenntnis und Finger¬ 
spitzengefühl“ einen Mittelweg des Kompromisses für eine gemeinsame zen- 
tralladinische Sprachplattform zu finden, an der alle schriftlich teilhaben soll¬ 
ten. 
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