Full text: Sprachenpolitik in Grenzregionen

statt zwei, drei Wochenstunden Ladinisch in der ersten Klasse nur Ladinischun- 
terricht, Ladinisch als Unterrichtssprache und nicht nur als Behelfssprache. 
Wie groß die Spanne zwischen privilegierten und unterprivilegierten Ladinern 
ist, zeigt sich im Schulwesen z.B. in Buchenstein. Born (1992, 36) schreibt 
dazu: „In der Provinz Belluno genießt das Ladinische in den Schulen keinerlei 
Schutzbestimmungen. Angesichts dieser Bedingungen ist es um so anerken¬ 
nenswerter, daß im Buchenstein Lehrer aus eigenem Antrieb mit sehr viel per¬ 
sönlichem Engagement daran arbeiten, wenigstens in kleinem Rahmen dem 
autochthonen Idiom mehr Geltung zu verschaffen, und versuchen, ihren Schü¬ 
lern Grundkenntnisse auch in der schriftlichen Beherrschung ihrer Mutterspra¬ 
che zu vermitteln.“ Neben dem Schulwesen ist in den Provinzen Bozen und 
Trient auch die Unterstützung der kulturellen Tätigkeiten gesetzlich geregelt. 
Artikel 102 des statuto speciale legt fest, „daß die Ladiner der Provinzen Bozen 
und Trient das Recht auf die Förderung der eigenen Bestrebungen und Tätig¬ 
keiten auf dem Gebiete der Kultur, der Presse und der Freizeitgestaltung sowie 
das Recht auf die Erhaltung der Toponomastik und der eigenen Überlieferun¬ 
gen haben“ (Craffonara 1981, 98). Beide Provinzen besitzen auch eigene staat¬ 
lich geförderte Kulturinstitute. 
Nach der Behandlung von Ladinisch als Schulfach ist noch ein Hinweis zur 
Kirchensprache angebracht. Bis 1818 gehörten die Dolomitentäler (ohne Am- 
pezzo) zur Diözese Brixen; anschließend wurden Fassa und Groden der Diözese 
Trient zugeordnet; unter Mussolini erfolgte die Angleichung der Diözesangren- 
zen an die politischen und administrativen Grenzen, und somit trat auch im 
kirchlichen Bereich die fatale Dreiteilung des ladinischen Sprachgebietes ein, 
wobei Gröden seit 1962 zur Diözese Bozen-Brixen gehört. In den letzten 30 
Jahren sind im Gadertal und vereinzelt in Gröden liturgische Texte ins Ladini¬ 
sche übersetzt worden (Craffonara 1981, 100). Der Religionsunterricht wird - 
zumindest im Gadertal - meist auf Ladinisch gehalten. Die Seelsorger in den 
ladinischen Tälern der Diözese Bozen-Brixen sind vorwiegend ladinischer 
Muttersprache (ib.). Im Jahr 1992 hat Bischof Egger von Bozen den Klerus 
ausdrücklich zur Dreisprachigkeit aufgefordert. Im Fassatal (Diözese Trient), in 
Buchenstein und Ampezzo (seit 1964 Diözese Belluno) wird die italienische 
Sprache als Kirchensprache verwendet. Goebl (1992, 16) hat die neuesten Er¬ 
hebungen zur Kirchensprache zu Recht kritisiert, da diese von der Diözesen¬ 
zugehörigkeit und von der Muttersprache der einzelnen Seelsorger abhängt. 
Aufschlußreicher wäre die Beantwortung der Frage gewesen: Welche Sprache 
wird beim persönlichen Gebet gesprochen? 
Am 15.7.1988 regelte ein Dekret den Gebrauch der deutschen und der ladini¬ 
schen Sprache im Verkehr der Südtiroler Bürger mit der öffentlichen Verwal¬ 
tung und in den Gerichtsverfahren. Dazu schreibt Lardschneider (1994, 9): 
„Das Dekret sieht vor, daß die ladinischsprachigen Bürger in der Provinz Bozen 
das Recht haben, die eigene Sprache im mündlichen und schriftlichen Verkehr 
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