der natürlichen Entwicklung die Epoche nationalstaatlichen Denkens die Dis¬
kriminierung der jeweils „fremden“ Sprache, die aber trotz beträchtlicher staat¬
licher Bemühungen wenig erfolgreich war. Erst die Entwicklung der Nach¬
kriegszeit mit der Einführung des Bekenntnisprinzips führte hier zur Entkopp¬
lung von Staatsangehörigkeit und Sprache. Für das Gebiet der Romania und als
Beispiel für innerstaatliche Sprachenpolitik stellte Albert Barrera i Vidal
(Lüttich) die komplexe Entwicklung des Verhältnisses zwischen Katalanisch
und Spanisch in seinem Referat „Observations amicales mais critiques sur
l’actuelle politique linguistique en Catalogne“ dar. Nach einer wechselvollen
Vorgeschichte führte die Renaissance des 19. Jahrhunderts zu einem Auf¬
schwung des Katalanischen, das dann in der Franco-Zeit systematisch verdrängt
und bekämpft wurde. Die Sprachenpolitik der neuesten Zeit hat die Gleichbe¬
rechtigung des Katalanischen gebracht, und es gibt sogar schon weitergehende
Forderungen, welche das Spanische zu verdrängen suchen und Katalonien zu
einem einsprachigen Gebiet machen wollen. Diese extreme Position wurde,
ähnlich wie die seinerzeitige franquistische Sprachenpolitik, vom Vortragenden
kritisch gesehen. Daß sprachliche Minderheiten selbst innerhalb eines Staates
unterschiedlich behandelt werden können, zeigte Max Pfister (Saarbrücken) in
seinem Beitrag „Privilegierte und unterprivilegierte sprachliche Minderheiten in
Südtirol und im östlichen Oberitalien“ am Beispiel Italiens. Hier genießen die
romanischen Sprachminderheiten je nach Provinz-Zugehörigkeit ein unter¬
schiedliches Maß an Privilegierung. Im Südtirol (Provinz Bozen) profitieren sie
von der Autonomie-Regelung, die ursprünglich dem Deutschen (als Minder¬
heitssprache in Italien, aber Mehrheitssprache in der Provinz) gewährt wurde,
während sie in der Provinz Belluno deutlich unterprivilegiert sind. Diese unter¬
schiedliche Behandlung zeigt Auswirkungen auf das Prestige und die Überle¬
benschancen der betreffenden Sprachminderheiten.
Aus naheliegenden Gründen befaßten sich mehrere Vorträge mit der sprachen¬
politischen Situation in der unmittelbaren Nachbarschaft des Tagungsortes, d.h.
in Elsaß-Lothringen. Die wechselnde Zugehörigkeit dieser deutschsprachigen
Gebiete zu Frankreich und Deutschland und das lange gespannte Verhältnis
zwischen diesen beiden Staaten führte zu zahlreichen Veränderungen in der
Sprachenpolitik im Laufe der Geschichte. Kompliziert wird die Situation da¬
durch, daß es sich vor allem im Elsaß um Gebiete handelt, in denen hauptsäch¬
lich der deutsche Dialekt, nicht aber die Standardsprache verbreitet ist. In ih¬
rem Referat „,Regionalsprache1 im Elsaß“ beschrieben Adrien Finck und
Maryse Staiber (Straßburg) die gegenwärtige sprachliche Situation. Sie wiesen
insbesondere darauf hin, daß der Begriff „Regionalsprache“ sowohl die Dia¬
lektvarietäten als auch die deutsche Standardsprache umfasse. Des weiteren be¬
schrieben sie Versuche, die sprachliche Situation des Elsaß als einer zweispra¬
chigen Region in Europa als Positivum zu werten und zu nutzen. Dem philo¬
logisch-historischen Streit, der während der Reichsland-Zeit zwischen
Frankreich und Deutschland wegen Elsaß-Lothringen tobte, galt der Beitrag
von Wolfgang Haubrichs (Saarbrücken) „Der Krieg der Professoren. Sprachhi-
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