Full text: Sprachenpolitik in Grenzregionen

sich nicht von ihren Vorstellungen von ethnischer, kultureller und sprachlicher 
Einheitlichkeit lösen können. So ist davon auszugehen, daß auch weiterhin 
Sprachenpolitik gegenüber Minderheiten, die rechtlich ungenügend gesichert 
sind, für Konflikte sorgen wird. Wie im Mittelalter im Rahmen der meist mul¬ 
tiethnischen und vielsprachigen Staaten dieses Problem angegangen wurde, 
zeigte Reinhard Schneider (Saarbrücken) in seinem Beitrag „Sprachenpolitik 
im Mittelalter“. Er konnte sowohl Sprach- als auch Sprachenpolitik (hier im 
Sinne der Förderung einer dominanten Sprache) schon im Mittelalter nachwei- 
sen. Offensichtlich wurde aber Sprachenpolitik im allgemeinen eher gemäßigt 
betrieben. Die Sprachenvielfalt wurde als gegebene Tatsache gesehen und re¬ 
spektiert, und es gab sogar Versuche, sie im Staat zu verankern, etwa durch die 
Forderung nach Mehrsprachigkeit der Herrschenden. Die Analyse eines histori¬ 
schen Einzelbeispiels im Vortrag von Steffen Renner (Saarbrücken) 
„Versuchten die Engländer im Kampf gegen Owain Glyndwr die walisische 
Sprache zu vernichten?“ bestätigte im wesentlichen diese allgemeine Aussage. 
Offensichtlich gab es keine ernsthaften Versuche, die walisische Sprache auszu¬ 
rotten, wie auch die gegenteiligen Vorwürfe nicht belegbar sind. Solche Vor¬ 
würfe konnten aber genutzt werden, um für den Kampf gegen anderssprachige 
Gegner Unterstützung zu gewinnen. 
Allgemeinen Fragen der Sprachenpolitik waren zwei Beiträge gewidmet. Peter 
H. Neide (Brüssel) ging in seinem Beitrag „Vitalität und Dynamik europäischer 
Sprachgrenzminderheiten“ der Frage nach dem Verhältnis zwischen großen und 
kleinen Sprachen in Grenzgebieten nach. Er konnte verdeutlichen, daß die all¬ 
gemein angenommene Dynamik eines unaufhaltsamen Rückgangs der Minder¬ 
heitensprachen zugunsten großer Sprachen so absolut nicht gilt. Vielmehr ist 
die Dynamik des Verhältnisses äußerst komplex, da es von zahlreichen nicht¬ 
sprachlichen Variablen abhängt. Sprachverlust steht so neben Sprachbewah- 
rung, und allgemein gültige Generalisierungen sind kaum möglich. Einem in¬ 
teressanten Sonderfall galt die Darstellung von Johannes Kramer (Siegen): der 
„Zweieinhalbsprachigkeit“. Es handelt sich dabei um eine Nebenform der Di¬ 
glossie. Einer Prestige-Sprache stehen zwei Varianten einer mit der Prestige- 
Sprache nicht nahe verwandten Sprache gegenüber, die eine als traditionsreiche 
Standardsprache, die andere als erst im Ausbau befindliche Form. Die ange¬ 
führten Beispiele stammen im wesentlichen aus dem romanisch-germanischen 
Kontaktbereich Europas, schließen aber auch Fälle von Kreolsprachen mit ein. 
Angesichts der Schwierigkeit, generalisierende Aussagen machen zu können, 
und in Anbetracht der Tatsache, daß für viele Gebiete noch Einzeluntersuchun¬ 
gen ausstehen, ist es nicht erstaunlich, daß in zahlreichen Beiträgen konkrete 
Beispiele vertieft analysiert wurden. Einem innergermanischen Grenzgebiet galt 
der Vortrag von Hubertus Menke (Kiel) „,Ich bin ein Däne und spreche 
deutsch4. Zur Sprachgeschichte und Sprachenpolitik im deutsch-dänischen 
Grenzraum“. In diesem mehrsprachigen Gebiet, das zwischen zwei Staaten auf¬ 
geteilt ist, brachte nach einer langen Zeit des friedlichen Nebeneinanders und 
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