Full text: Grenzen und Grenzregionen

betrieben werden kann30. Im übrigen aber zählt die Hohe See wie der Weltraum 
und die Antarktis zu den internationalen Gemeinschaftsräumen, an denen einzel¬ 
staatliche Souveränität nicht begründet werden darf. 
Daß die seewärtige Grenze des Staates von der Niedrigwasserlinie bis zu 12 SM in 
das Meer hineinreichen darf, stellt das Ergebnis einer neueren Entwicklung dar, 
die lange Zeit vor allem durch den Gesichtspunkt der Beherrschbarkeit geprägt 
war. Aus ihm ergab sich die vor 1958 noch geltende Drei-Meilen-Zone, auf die 
sich das Küstenmeer gewohnheitsrechtlich erstrecken durfte31. Diese Begrenzung 
hatte ihren Ursprung in dem Prinzip der Kanonenschußweite, das seinerseits ei¬ 
nem verwandten Grundsatz folgte, der besagte, daß die Hoheitsrechte dort enden, 
wo die Macht der Waffen endet. Das Prinzip der Kanonenschußweite setzte sich 
seit der Wende zum 18. Jahrhundert durch, während im selben Maße das zuvor 
häufig, wenn auch nicht ausschließlich, befolgte Prinzip der Sichtweite außer Be¬ 
achtung geriet32. 
Der Gesichtspunkt der Beherrschbarkeit ist, historisch unterschiedlich gelagert, 
der Herausbildung von Land- und Seegrenzen gemeinsam. Er spielt ebenfalls bei 
der Bestimmung der übrigen Grenzen des Staatsgebietes eine herausragende Rolle. 
Während sich rechtlich gesehen das Staatsgebiet als Luftsäule über der linear be¬ 
grenzten Gebietsfläche bis zum Beginn des Weltraums fortsetzt, spielt der Gedan¬ 
ke bei der Ermittlung des Staatsgebietes unter der Erdoberfläche einschließlich der 
Fluß- und Meeresgebiete eine weitaus größere Rolle; zugleich aber werden auch 
die Grenzen des technischen Fortschritts bewußt.33, 
VHL 
Fragt man nach dieser Bestandsaufnahme wiederum nach der Grenze als Rechts¬ 
problem, so rücken sogleich die Fragen in den Vordergrund, die zwar die Staats¬ 
grenze unmittelbar betreffen, die aber noch viel stärker an die Rolle der Staaten 
selbst rühren. Denn so sehr und so selbstverständlich die Staaten und ihre Funkti¬ 
on auch im Vordergrund stehen, so wenig Berührungspunkte scheint es mit dem 
menschlichen Substrat der Staaten zu geben. Dieses tritt uns als Staatsvolk entge¬ 
gen, sozusagen in anonymisierter Form ohne die näheren Charakterzüge von Spra¬ 
che, Religion, Geschichte und Kultur. Dies ist ohne Zweifel die Folge eines Staats¬ 
verständnisses, das mit Abstraktionen arbeitet, nicht hingegen mit Differenzierun¬ 
gen. In einer Weltordnung, die auf Kooperation und Koordination von über 160 
Staaten angewiesen ist, muß ein gewisses Maß von Formalisierung hingenommen 
werden. Daß es jedoch so weit gehen soll, daß Probleme der menschlichen Identifi¬ 
zierung im Staat und zwischen den Staatsbewohnem nur um den Preis von grund¬ 
30 
Vgl. statt anderer v. Würzen, "Der Entwurf der Seerechtskonvention und die Probleme des inter¬ 
nationalen Meeresbodenregimes", in: Wirtschaft und Technik im Völkerrecht, 1982, S. 23 ff. 
31 
Vgl. z.B. Ipsen, a,a.O., S. 679f.; die Staatenpraxis war gleichwohl uneinheitlich, vgl. Verdross/'Simma, 
a.a.O., §1071. 
32 Grewe, a.a.O., S. 382. 
33 Zusammenfassend Fiedler, a.a.O. (Anm. 2), Sp. 178 f. 
31
	        
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