Heiko Riedel
Die räumliche Wahrnehmung einer Staatsgrenze am Beispiel des
SAARLÄNDISCH-LOTHRINGISCHEN GRENZRAUMS.
Erste Ergebnisse einer empirischen Untersuchung
Die Geographie befaßt sich in zunehmendem Maße mit Fragen des Regionalbe¬
wußtseins und der regionalen Identität. Untersuchungen zum Regionalbewußtsein
erforschen explizit die Zugehörigkeit zu räumlich ausgeprägten Sozialsystemen in
der Sichtweise der jeweiligen Regionalbevölkerung (Popp 1988:196), die soge¬
nannte "Insider-Perspektive" (Buttimer 1979). Sowohl Regionalbewußtsein als
auch regionale Identität stehen in engem Zusammenhang mit der Frage, wie ein
bestimmter Raumausschnitt wahrgenommen, bewertet und handelnd erfahren
wird, d.h. nach der Verbindung zwischen subjektiven Raumkognitionen, affektiven
Einstellungen sowie den räumlichen Verhaltenskorrelaten. Allerdings beziehen
sich derartige Forschungen in ihrer räumlichen Untersuchungsbasis in der Regel
auf innerstaatliche Gebiete; grenzübergreifende, regionale Fragestellungen zu
dieser Thematik sind bisher die Ausnahme (z.B. Fichtner 1988, Haubrich et al.
1990, Leimgruber 1987). Einen Beitrag zur Erfassung dieser Inhalte im
grenzüberschreitenden Kontext des Saar-Lor-Lux-Raumes liefert ein Forschungs¬
projekt an der Universität des Saarlandes1, aus dem erste Ergebnisse vorgestellt
werden.
Ziel ist es, empirisch gestützte Aussagen über die räumliche Wahrnehmung des
saarländisch-lothringischen Grenzraumes und der deutsch-französischen Staats¬
grenze durch die Bevölkerung, den Wahmehmungsgehalt und Unterschiede in
kulturvergleichender Perspektive zwischen Saarländern und Lothringern zu erhal¬
ten. Neben der Ermittlung allgemein sozialstatistischer Daten interessieren daher
Lage- und Entfemungseinschätzungen, die Rückschlüsse auf die kognitive Raum¬
struktur zulassen, ebenso wie affektive Einstellungen zum Grenzraum und zur
Grenze sowie räumliche Verhaltenskorrelate.
Als Untersuchungsraum wurden das Saarland und das Dept. Moselle ausgewählt,
die beide je rund 1 Mio. Einwohner zählen. Die räumliche Vergleichsbasis im
Saarland stellen die 52 Gemeinden mit ihren durchschnittlich 20.300 Einwohnern
(Statistisches Amt des Saarlandes 1987) dar. Als Vergleichsbasis im Dept. Moselle
bieten sich die 51 Cantons an, die im Mittel knapp 20.000 Bewohnern aufweisen.
Ungeeignet hierzu erscheinen die 727 Gemeinden mit ihren im Mittel nur rund
1400 Einwohner (INSEE 1990).
1 Die wissenschaftliche Leitung erfolgt durch die Profs. W. Brücher, FR Geographie, und P. Orlik, FR
Psychologie, beide Universität des Saarlandes. Herrn Prof. F. Reitel vom Département de Géographie der
Universität Metz sei an dieser Stelle für seine Unterstützung vielmals gedankt.
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