Zeit in engem Kontakt, aber unter Bewahrung ihrer eigenen Sprache nebeneinan¬
der gelebt. Wir müssen also nicht nur mit Sprachinseln, sondern mit echten roma¬
nisch-germanischen Mischgebieten rechnen. Diese haben sich durchweg nicht
über das 8. und 9. Jahrhundert hinaus gehalten, jedenfalls finden wir keine Anzei¬
chen dafür.
Mit einer Ausnahme: der Trierer Moselromania, der ich mich nun zuwende!
Ihre Extension läßt sich übrigens gut nicht nur an den vorgermanischen Namen,
sondern auch am Lehnwortschatz beobachten, der aus dem Romanischen in die
deutschen Nachfolgedialekte an der Mosel übernommen wurde. Rudolf Post hat
bereits 1982 in einer Frequenzkarte (Karte 11) gezeigt, daß sie sich quantitativ ge¬
rade an der Mosel, und besonders stark in einem Raum mit dem Zentrum Trier
verdichten. So bilden sich Sprachzustände des frühen Mittelalters in der Sprache
der Gegenwart ab.
Mit der Trierer Moselromania wurde die umfangreichste und vielleicht auch die
am längsten lebendige romanische Sprachinsel im deutschen Sprachbereich ent¬
deckt. Sie hat dementsprechend selbstverständlich sprachliche Fakten, in diesem
Falle Namenbelege, aufzuweisen, die in der sonstigen (südlichen) Moselromania,
in Lothringen etwa, durchgeführte deutsche Lautprozesse nicht aufweisen: so
konnten Wolfgang Kleiber34 35 und erneut Monika Buchmüller-Pfafi95 (Karte 12)
zeigen, daß in einem begrenzten Gebiet um Trier sich historische Belege von Na¬
men mit [k]-Schreibungen finden, die nur als Reflexe einer bilingualen deutsch¬
romanischen Situation mit entsprechenden lautlichen Interferenzen und Entleh¬
nungen im Nahkontakt erklärt werden können.
Doch auch romanische Lautentwicklungen werden in der Trierer Moselromania
länger transportiert als in der Umgebung, so z.B. der bereits bekannte und für
späte Integration zeugende romanische Paenultima-Akzent (Beispiele Nr. 41 + 42,
etwa Wadrill < Waderöla). Die Erhaltung des romanischen Akzents hat W. Klei¬
ber 1983 auf einer eindrucksvollen Karte36 (Karte 13) festgehalten, welche gut
geeignet ist, die Kompaktheit der Trierer Moselromania vor Augen zu führen.
Daß auch sie - wohl im 10./12. Jahrhundert - zerfällt, ist an der nur noch begrenz¬
ten Rezeption eines fortgeschrittenen romanischen Lautwandels, nämlich der Pala¬
talisierung von [ä] > [e] zu sehen, wie ebenfalls W. Kleiber bereits gezeigt hat37 -
und zwar an den Paradigmen gall. * Väbero 'Sumpfland' > Feber (Nr. 39) bzw.
gall. *näva 'Mulde' > Nef (Nr. 40). Die Karte 14 vermag zu demonstrieren, wie die
Formen mit palatalem [e] in kompakter Lagerung nur noch an der Mittelmosel um
Bemkastel durchdringen, sonst aber bei Trier, an der unteren Saar auf kleine Re-
34 Kleiber, Substrat (wie Anm. 16), S. 172ff.
35
Buchmüller-Pfaff, Siedlungsnamen (wie Anm. 28), S. 654ff.; Dies., Namen im Grenzland (Wie Anm.
28), S. 176f.
36 Kleiber, Substrat (wie Anm. 16), S. 176.
^7 Kleiber, Waber/Feber-NaflNef (wie Anm. 26), S. 117ff.; Ders., Substrat (wie Anm. 16), S. 160ff.; fer¬
ner Pfister, Moselromania (wie Anm. 25), S. 17f. 31f.
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