gen romanischen Sprachen" auch deutlich die Individualität historischer Erschei¬
nungsformen von Grenzen an der differenzierten Begrifflichkeit in bestimmten
Sprachen aufweisen. Der Historiker Reinhard Schneider (Saarbrücken) untersuchte
dagegen in seinem Beitrag "Lineare Grenzen - Vom frühen bis zum späten Mit¬
telalter" die Grundlagen und frühen Entwicklungen einer Erscheinungsform von
politischen Grenzen, welche seit dem Aufkommen des absolutistischen Staates im
17. Jahrhundert dominierend wurde. Als bedeutsam stellte sich vor allem heraus,
daß es lineare Grenzen bereits im Mittelalter gab und zwar sowohl in Ost- als auch
in Westeuropa.
Weitere drei Vorträge konzentrierten sich auf die Geschichte der deutsch-französi¬
schen Grenze im Saar-Mosel-Raum unter archäologischen, sprachgeschichtlichen
und allgemeinhistorischen Aspekten. Der Beitrag der Saarbrücker Vertreterin der
Vor- und Frühgeschichte, Frauke Stein, tastete die archäologischen Funde der
Spätantike und der Merowingerzeit auf ihre ethnische Aussagekraft ab. Können
die aus den archäologischen Quellen zu erschließenden Bevölkerungsverhältnisse
zwischen Romanen und Franken als eine direkte Voraussetzung der Ausbildung
der deutsch-französischen Sprachgrenze gelten? In einem vergleichenden Beitrag
ging Wolfgang Haubrichs (Saarbrücken) der Frage nach, ob sich lineare Sprach¬
grenzen stets aus bilingualen Mischräumen und dispersen Strukturen heraus ent¬
wickeln. Die drei gewählten Beispiele von Kontaktzonen zwischen Romania und
Germania (Salzburger Land, Schweiz, Saar-Mosel-Raum) scheinen anzudeuten,
daß sich von Anfang an neben dispersen Strukturen auch lineare Grenzstücke fin¬
den, welche einer besonderen historischen Erklärung noch bedürfen. Der Histori¬
ker François Roth (Nancy) untersuchte in seinem Beitrag "La frontière franco¬
allemande 1871-1918" diefürdas Verständnis der heutigen komplexen Situation
(Divergenz von Staatsgrenze und Sprachgrenze) und das Verständnis der schwie¬
rigen Situation einer zweisprachigen Region, die im Konfliktfeld zweier die Spra¬
che zu Feldzeichen erhebenden Nationen leben mußte, so wichtige Zeit des elsa߬
lothringischen 'Reichslandes' zwischen dem deutsch-französischen Krieg und dem
ersten Weltkrieg.
Die folgenden Vorträge verglichen die Situation im Saar-Mosel-Raum mit Grenz¬
situationen in anderen Kontakt- und Durchmischungsräumen in Europa. Volker
Bierbrauer (München) untersuchte die mehrfachen und wechselseitigen Über¬
schichtungsprozesse von Romanen und Langobarden in der Grenzregion des mitt¬
leren Alpengebietes im 6. und 7. Jahrhundert unter siedlungsarchäologischem
Aspekt. Guntram Plangg (Innsbruck) zeigte in der Tiroler Alpenromania
(vornehmlich im Kontaktgebiet von Ladinern, Italienern und Bayern in Südtirol)
die allmähliche und außerordentlich komplexe, über die Jahrhunderte hinweg an¬
dauernde und bis heute nicht zu völligem Stillstand gekommene, sondern in ihrer
Dynamik von politischen Faktoren abhängige Genese der Sprachgrenzen auf.
Emst Eichler (Leipzig), wohl der bedeutendste Forscher der letzten Jahrzehnte auf
dem Gebiete der historischen deutsch-slawischen Sprachkontakte, gab einen sou¬
veränen Überblick über die Sprachgrenze bzw. -grenzen zwischen Elbe und Oder
im mitteldeutschen Raum. Die Forschung zu dieser Sprachgrenze ist methodisch
deshalb so wichtig, weil ihre siedlungshistorischen Grundlagen im vollen Licht der
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