Full text: Grenzen und Grenzregionen (22)

deutlich auf Karte 9 erkennen; daß dabei der Raum nördlich Trier und an der unte¬ 
ren Mosel unterrepräsentiert ist, spiegelt eine Forschungslücke. Sie würde sich bei 
Aufarbeitung überreichlich schließen, wie die Verbreitung eines einzigen Flurna¬ 
mens mit erhaltenem [t], nämlich Planier < *plantanum, die Wolfgang Kleiber 
kartiert hat (Karte 10), demonstriert. Nach dem Kriterium der unterbliebenen t- 
Verschiebung jedenfalls ist mit einer Germanisierung der romanischen Sprachin¬ 
seln im 6. Jahrhundert keinesfalls zu rechnen. 
Umgekehrt sind aber alle in Frage kommenden Ortsnamen, die vorgerm. [k] zeig¬ 
ten, in unserem Gebiet der Lautverschiebung zu [x] (geschrieben <ch>) unterle¬ 
gen, wozu die Bspe. Nr. 26-27 zu vergleichen sind, etwa der alteuropäische Ge¬ 
wässername *Wokarä > Wocher(n). Die althochdeutsche k-Verschiebung setzen 
wir ins 7. Jahrhundert. Ungeiähr in dieselbe Zeit oder wenig später ist ein romani¬ 
scher Lautwandel zu plazieren, der [k] vor folgendem [e] oder [i] betrifft, die Pala¬ 
talisierung von [ke, ki] zu [tse, tsi], wie - um ein Beispiel aus dem Wortschatz zu 
nehmen - etwa lateinisch cervus "Hirsch" mit [k]-Anlaut, das mit Entwicklung zu¬ 
nächst zur ASfikata [ts], dann zur Spirans [s], zu französisch cer(f) wird. Wenn 
nun im Süden des Moselraums [k] vor [e,i] von der Lautverschiebung erfaßt wird, 
wie in Nr. 26 Decempagi zu 1333 Techempal, im Norden aber in Nr. 28 Decima > 
Detzem nach dem Gesetz der romanischen Palatalisierung mit [ts] erscheint, und 
parallele Fälle sich für Nr. 29 und 30 in der Umgebung von Luxemburg und 
Thionville nördlich Metz dingfest machen lassen, dann wird man davon ausgehen 
müssen, daß die Germanisierung im Süden bereits im 7. Jahrhundert begann, wäh¬ 
rend im Norden, in Richtung auf Trier hin, im 7. Jahrhundert noch lebendiges Ro¬ 
manisch gesprochen wurde. Die Nähe zur großen Sprachinsel der Trierer Mosel- 
romania, auf die gleich zurückzukommen ist, kündigt sich hier an33. 
Für eine Weiterexistenz von romanischen Sprechern in kleineren Sprachinseln 
gibt es auch sonst Belege. Wie im Salzburger Raum und in der Schweiz wird die 
romanische Sonorisierung in historischen Belegen, etwa bei Nr. 31 Destrago bzw. 
Nr. 24 Medolago greifbar. Auch die erst seit dem 879. Jahrhundert denkbare Inte¬ 
gration von lat. [v] als althochdeutsch [f] ist reich belegt (Nr. 32-35; vgl. dagegen 
Nr. 23, 27). In grundlegendem Unterschied jedoch zum voralpinen Bereich zeigen 
die integrierten Ortsnamen, also die deutschen Resultanten keine Sonorisierung, 
wie sich am Beispiel Mettlach (Nr. 24) < *Metelläcum mit erhaltenem [t] und ver¬ 
schobenem [k] > [x] im Gegensatz zur historisch überlieferten romanisch entwic¬ 
kelten Form 774/91 Medolaga mit stimmhaftem [d] und stimmhaftem [g] vorzüg¬ 
lich demonstrieren läßt. 
Diese Erscheinung des Nebeneinanders von durchgesetzter, früh übernommener 
deutscher Form und historisch überlieferter, romanisch weiterentwickelter Form 
läßt sich für Siedlungsnamen im gesamten Gebiet zeigen. Sie läßt sich m.E. - und 
das ist das Neue gegenüber den behandelten voralpinen Zonen - nur so deuten: 
Hier haben Romanen und Germanen, Franken seit dem 7. Jahrhundert noch lange 
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Zur Lautverschiebung in Lothringen vgl. Haubrichs (wie Anm. 15); zur "verspäteten" Palatalisierung in 
Ostgallien vgl. Pfister, Chronologie (wie Anm. 25). 
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