mal jedoch finden sich Actum und Datum am Schluß des Judikats5. Häufig, aber
keineswegs regelmäßig, folgt der Intitulatio eine Inscriptio, die zeigt, daß Judikate
für bestimmte Empfänger oder Empfängergruppen, Prozeßparteien oder auch sonst
vom Urteil Betroffene, ausgestellt wurden, während manche Judikate nur mit einer
ganz allgemeinen Notificationsformel versehen waren6.
Datierungen, Beurkundungsanordnung7 und Adressen sowie die gelegentlich deut¬
licher erkennbare Überlieferungsart einzelner Stücke stützen wohl die folgenden,
freilich nur hypothetischen Vermutungen über den Kanzleigeschäftsgang in solchen
Angelegenheiten: Im Anschluß an die Urteilsverkündung (zum Zeitpunkt der
Actum-Datierung) wird das Judikat niedergeschrieben und, gegebenenfalls nach
Verlesung vor der Gerichts- oder auch Konzilsversammlung8, durch den Kanzler
ausgestellt (Datum per manumf aber bei Ausstellung und Zustellung des Urteils
verfuhr man anscheinend nicht einheitlich nach gleichem Schema.
Der zunächst rein arbeitshypothetisch angenommene „Idealfall“: Zustellung des
Urteils in je einem Exemplar an die Prozeßparteien und Archivierung durch
Eintragung ins päpstliche Register, ließ sich mit den bisher aufgetauchten Belegen
nur an einem Beispiel wahrscheinlich machen - am Judikat Urbans II. JL 5653 von
1096 im Konflikt zwischen Burgos und Toledo, den O. Engels anhand der
5 JL 5654 von 1096 im Streit zwischen den Klöstern Figeac und Conques (MlGNE, PL 151, 469); JL
5658 von 1096, eine stark dem Typus des Judikatprivilegs angenäherte Sonderform des Judikats im
Streit zwischen Bischof von Toulouse und Kanonikern von St.-Semin (An.-Jur. Pont. 10, 551 ff.):
Acta est huiusmodi negotii definitio . scriptum et relectum est praesentibus . . ., Datum apud Vallem
Flavinianum etc.; einleitende Actum-Datierung z. B. im Judikat liber den Streit zwischen Bischof von
Paestum und Abtei La Cava vom Sept. 1089: Anno dom. incarn. 1089, indict. 12, mense sept. Cum in
Melfino concilio . . ., folgt Prozeßbericht (D. GlRGENSOHN, Miscellanea Italiae Pontificiae 1, Nachr.
Göttingen I, 4 (1974), S. 190 Nr. 2); It. Pont. 8, 353 Nr. 31 von 1092 im Konflikt zwischen Erzbischof
von Salerno und Herzog Roger von Apulien: Anno ab incarn. dom. nostri J. Chr. 1093 (1092), mense
Augusto, indict. 15, dum in palatio s. Salernitani episcopii esset domnus Urbanus II papa . . ., in
objektiver Formulierung (J. V. PFLUGK-HARTTUNG, Acta Pontificum Romanorum inedita, Tübingen
1881-86, Bd. 2, 149 Nr. 184). ln subjektiver Abfassungsform: JL 5470 aus Tarent 1092 im Streit
zwischen St.-Aubin zu Angers und Abtei Vendôme: Anno dom. incarn. 1093 (1092), pontificatus
nostri V., indict. I, cum essemus in provincia Calabriae . . ., mit Schlußdatierung: Data Tarenti, VIII
kal. decembr. (Ch. Métais, Cartulaire de l’abbaye card. de la Trinité de Vendôme, Bd. 2, Paris 1894,
S. 70 Nr. 343).
6 Vgl. u. a. JL 5561 (Bistümer Orange-Tricastin): Ad praesentium notitiam et futurorum memoriam non
latere volumus . . . (s. oben Anm. 3); JL 5663 (Montmajour-lez-Arles und St. Victor zu Marseille, wie
Anm. 4); JL 5708 (Erzb. von Salerno und Abtei La Cava): Omnibus Christi fidelibus. Notum vobis
esse volumus ..., Pflugk-Harttung, Acta 2, 165 Nr. 199.
7 Judikat von 1089 im Streit Paestum - La Cava (ed. GlRGENSOHN wie Anm. 5): nostre auctoritatis
litteris precepimus designari; JL 5588 von 1095 (wie Anm. 4): dominus papa Urbanus hanc
definitionem scribi jussit scriptamque sigillo apostolicae sedis firmavit. - Vgl. auch die Judikate JL
5625 (Charroux - Ham), JL 5633 (St. Martin zu Tours - Cormery), JL 5716 (Montecassino - S. Maria
de Cingla) oder JL 5654 (Figeac - Conques): nos .. . definitionis huius ordinem . , . nostri nominis
litteris adnotari, et sigilli nostri praecepimus impressione firmari (MlGNE, PL 151, 469). Eine
Scriptumzeile ist allerdings bei Judikaten nur ganz selten überliefert, so in JL 5519 (Rom 1094) im
Prozeß Tours - Dol und in JL 5716 (Rom 1098) im Prozeß Montecassino - S. Maria de Cingla; in
beiden Fällen schrieb der römische Scriniar Petrus.
8 JL 5658 für St.-Semin, Toulouse (vgl. Anm. 5); JL 5540, päpstliche Bestätigung eines Restitutions¬
aktes des Grafen Raimund von Toulouse für die Abtei St.-Gilles in Form eines Judikats vom 18. Febr.
1095, das wenig später vor dem Konzil in Piacenza (Anfang März 1095) nochmals verlesen und
bestätigt wurde: relecta vero et confirmata in concilio . . ., MlGNE, PL 151, 399 f.
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