Dieser große Gelehrte, und, wo es um letzte Entscheidungen ging, auch unerbittli¬
che Kämpfer, war eine Persönlichkeit von bescheidener Natürlichkeit und Schlicht¬
heit. Die charakterliche Eigenart Barths ließ ihn auch zu dem verhältnismäßig
theologisch unkomplizierten Unfricht, der freilich in seiner Bibliothek alle Literatur
zu Barth und über Barth sammelte, sonst aber Praktiker war, freundlichen Kontakt
entwickeln. Dem Kirchenverständnis Karl Barths entsprechend ließ sich Unfricht
die Ausbildung von Laienpredigern, darunter auch Akademikern, angelegen sein. In
der Diasporasituation bemühte er sich um konfessionellen Ausgleich und besuchte
die Familien ohne Rücksicht auf Besitzstand oder Konfessionszugehörigkeit.
Wie Pfarrer Hermann Günther in Schwalbach, auch einer dieser durch Karl Barth
mitgeprägten, eindrucksvollen Vertreter dieser Pfarrergeneration (ich durfte Pfr. H.
Günther zu meinem großen Gewinn noch kennenlernen), sah Unfricht den
Schwerpunkt seiner Arbeit in Gottesdiensten aller Art, in Unterricht, Kirchenmusik
und insbesondere auch in der treuen Hausbesuchsarbeit, wobei er die Zeit vergessen
konnte.
Der damaligen Jugend hat sich seine Gestalt unvergeßlich, weit über seine
Gemeinden Fischbach und Quierschied hinaus, eingeprägt.
Als Dank für seine fast fünfzigjährige Tätigkeit erhielt er auf Initiative von
Ministerpräsident Dr. Franz Josef Röder den Saarländischen Verdienstorden. Röder
hat wohl auch Unfrichts Ernennung zum Ehrenbürger angeregt, womit die
Grabstätte bzw. das Ehrengrab auf dem Friedhof in Quierschied verbunden war, auf
dem der zuletzt in Wallerfangen im Hause der Familie seines Sohnes lebende Hans
Unfricht nun von seinen mannigfachen Kämpfen und Mühsalen ausruht. Ein
Original unter den Saar-Pfarrern ist mit ihm dahingegangen. Bei seiner Beerdigung
in Quierschied war die eindrucksvolle Feier von Barth-Texten begleitet.
(Zum Ganzen, jedoch Unfricht betreffend, die enttäuschend unergiebigen Bücher von
Wolfgang Scherffig; Junge Theologen im „Dritten Reich“, Dokumente, Briefe, Erfahrun¬
gen, 2 Bd., 1989/90, Neukirchener Verlag; 3. Bd. 1993).
Anhang
Hans Unfricht über die Gemeinde Fischbach 1950:
Bald wurde die junge Gemeinde auf eine schwere Probe gestellt: die Schwarmgeister der
deutsch-christlichen Mischreligion und die falschen Propheten der nationalsozialistischen
Weltanschauung suchten Verwirrung zu stiften. In harter Entscheidung bekannte sich 1934
das Presbyterium geschlossen zur „Barmer Theologischen Erklärung“ und unterstellte sich
der Leitung der „Bekennenden Kirche“. 1937 tagte in unserer Kirche die Bekenntnis-Synode
St. Johann, überwacht von der Gestapo, die danach die Teilnehmer verhörte und terrorisierte.
Seit der Festsetzung von Pfr. Niemöller im KZ wurde nach der Abendglocke noch die tiefe
Glocke für alle verfolgten Brüder und Schwestern geläutet; um die Leuchter der Altarkerzen
hingen zum Zeichen der Trauer schwarze Schleifen. 1937 wurde uns vom NS-Bürgermeister
der Schulsaal Quierschied für Gottesdienste entzogen. Seitdem versammelten wir uns zu
Wort und Sakrament im Hause des Presbyters Kiefer, später in einem gemieteten Ladenlo¬
kal. Seit 1945 steht uns wieder die Schule zur Verfügung.
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