Advent um 11 Uhr durch Radio Saarbrücken gesandt worden war, auf Band
aufnehmen zu lassen und so den großen Lehrer von Basel zu sich sprechen zu
lassen.
Zum Schluß sei noch auf Unfrichts ungewöhnliches Interesse am Briefwechsel
zwischen Rudolf Bultmann und Karl Barth hingewiesen, den der aus Wiebelskir¬
chen stammende Theologe Bernd Jaspert 1971 veröffentlichte. Unfricht schrieb
dafür eine Buchbesprechung in der Ökumenischen Rundschau, wobei er aber zu
einseitig den Anteil seines Lehrers und Freundes Karl Barth herausstellte, was auch
von Jaspert bedauert wurde. Als ich 1982 nach Saarbrücken an die Universität des
Saarlandes kam, lernte ich Hans Unfricht alsbald kennen, da er, wenn er es
gesundheitlich irgend einrichten konnte, an von mir gehaltenen Vorlesungen und
Gottesdiensten teilnahm. 1983 besuchte ich ihn in seiner damaligen Ruhestands¬
wohnung am Rotenbühl in Saarbrücken, woraufhin er mir mehrfach aus seinen
Sammlungen an Dokumenten, insbesondere über Karl Barth, wertvolle Geschenke
machte. So besitze ich heute insgesamt fünf Leitz-Ordner mit internationalen
Presseberichten und anderen einschlägigen Materialien über Karl Barth. Dieser hat
das Kirchen- und Gemeindeverständnis Hans Unfrichts gewiß sehr dezidiert
beeinflußt, was Unfricht in seinen gesunden Jahren aber nicht hindern konnte, sich
zu einem führenden Mann der kirchlichen Jugendarbeit im Saarland und zu einem
aktiv an der ökumenischen Arbeit durch Veranstaltungen, Aufbaulager und
Teilnahme an Konferenzen, nicht zuletzt in der Schweiz, zu entwickeln.
Was Karl Barth der Kirche und dadurch der Welt faktisch gegeben hat, kann nicht
mit wenigen Worten beschrieben werden. Vielleicht läßt es sich am besten
verstehen, wenn darauf hingewiesen wird, daß in ihm der Kirche ein Lehrer
geschenkt wurde, der Autorität besaß, eine Autorität, die nicht amtlich begründet
war, sondern auf der Macht des Geistes und des Wortes fußte. Dieser Mann konnte
reden und denken: Dinge, die bisher kaum gedanklich und sprachlich faßbar
erschienen, sind bei ihm begrifflich, scharfes und mit Anschaulichkeit gesättigtes
Wort geworden. In seinem Hauptwerk, der ,Kirchlichen Dogmatik4, erschienen in
13 Bänden mit über 9 000 Seiten, wurden die kompliziertesten dogmatischen
Probleme mit vollendeter Meisterschaft des Ausdruckes und des Denkens behan¬
delt. Aber nicht dieses sprachliche Können machte ihn zum großen Lehrer der
Kirche, seine Autorität war anderer Art. Man könnte sie „Bibelhörigkeit“ nennen.
Barths Autorität lag in der Entschlossenheit, es vom Worte Gottes her auf sich zu
nehmen, einsame Wege zu gehen. Aus Unkenntnis ist Barth dann und wann
Eigenbrötelei, Starrsinn, ja Selbstherrlichkeit vorgeworfen worden, obgleich sein
ganzes Wesen von beispielhafter Demut erfüllt war. Oft stellte er sich außerhalb
des Lagers, in dem seine Freunde vermeinten, verharren zu können. Darum ist er
sogar seinen Anhängern, den „Barthianern“ manchmal unbequem, fremd und
fragwürdig erschienen, bis ihnen aufging, daß hinter dem Negativen ein schlechter¬
dings Positives steckte.
Die zahlreichen Schriften Karl Barths - es sind deren wohl über 400 - haben eine
erstaunlich große Zahl von Übersetzungen in fremde Sprachen erfahren. Die
Ausstrahlung seines Werkes reicht nach Japan wie nach Neuseeland, nach Amerika
wie nach Indien.
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