Eduard Hlawitschka
De fausgina im Prümer urbar
Kurz vor dem Ende des 9. Jahrhunderts, 893, wurde im Kloster Prüm - auf der
Basis von älteren, offenbar von mehreren Rechercheuren mindestens ein volles Jahr
hindurch betriebenen Erhebungen - ein Güter- und Einkünfteverzeichnis1 angefer¬
tigt, das für die Geschichte, den Umfang und die Bedeutung der speziellen Prümer
Grundherrschaft ebenso interessant ist wie für Fragestellungen von allgemeiner
historischer Tragweite: so etwa für die Erkenntnis der hochmittelalterlichen
Verwaltungsstrukturen und Wirtschaftsmöglichkeiten überhaupt, den Stand von
Natural- und Geldwirtschaft, die Differenzierungsstufen im Bereich der mittelalter¬
lichen Grundholden und Hörigen und der ihnen zugeordneten Abgaben und
Dienstleistungen, oder für die Siedlungsgeschichte und Ortsnamenkunde im Gebiet
von Rhein, Mosel und Saar, Hunsrück, Eifel und Ardennen. Auch die Sprachfor¬
schung stützt sich seit langem auf Angaben aus dem Prümer Urbar; in ihm
überlieferte Ausdrücke der fränkischen Rechtssprache wie auch volkssprachliche
Bezeichnungen aus dem Wirtschaftsalltag fanden wiederholt Beachtung.
Diese Quelle ist uns leider nicht mehr in der originalen Niederschrift erhalten,
sondern nur in einer Abschrift, die im Jahre 1222 ein gewisser frater Caesarius (v.
Myllendonk) anfertigte, der vorher selbst von 1212-1215 Abt des Klosters Prüm
war, das Abbatiat aber 1215 niedergelegt hatte und danach als Mönch im Kloster
Heisterbach lebte2. Er versah diese für seinen zweiten Prümer Amtsnachfolger
Friedrich (von der Leyen) erstellte Abschrift zugleich mit einem ausgiebigen
Kommentar, einem Ortsindex und einem kleinen Lehnsträgerregister, wodurch die
Prümer Klosterverwaltung gefördert werden sollte. Dabei ist aber doch immer noch
klar erkennbar geblieben, was zum ursprünglichen Text von 893 gehörte und was
Caesarius als Erläuterung dem gegebenen Urbartext - sei es interlinear, an der Seite
oder am oberen wie unteren Blattrand - hinzufügte3.
1 Letzte kritische Edition (mit beigegebenem Faksimile des Manuskriptes von 1222) von I. Schwab,
Rheinische Urbare Bd. 5: Das Prümer Urbar (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische
Geschichtskunde XX), Düsseldorf 1983; früher war maßgeblich die Ausgabe von H. Beyer,
Urkundenbuch zur Geschichte der mittelrheinischen Territorien Bd. 1, Koblenz 1860, ND Hildesheim
u. New York 1974, S. 142-201, Nr. 135. - Zur Entstehung des Urbars vgl. bei I. Schwab, a.a.O. S.
151.
2 Zu Caesarius vgl. I. Schwab, Prümer Urbar (wie Anm. 1) S. 22 ff.
3 Ebda. S. 24-37, 143, 150.
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