Verbrechen geübt wurde“9. Die Begriffsbestimmung dieses Straftatbestandes
erfolgte zuerst in Bezug auf Diebstahl im Freimachungsgebiet. Hier mußte die
Rechtsprechung nicht zuletzt des Sondergerichts Saarbrückens in Bezug auf die
Delikte im Freimachungsgebiet entscheiden, in welcher Weise dieser neue Rechts¬
begriff anzuwenden war.
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Hatte der SD schon Anfang November 1939 über die offenkundigen10 Mängel bei
der Evakuierung berichtet11, so zog er Anfang Januar 1940 eine erste Bilanz der
Rechtsprechung über die Plünderungsfälle im Freimachungsgebiet12. Gelobt wur¬
den die Zivilgerichte und insbesondere das Sondergericht Trier, die mit scharfen
Todesurteilen durchgegriffen hätten. Gerügt wurden dagegen die Militärgerichte,
die zwar auch einige Todesurteile gefällt hätten, zum Teil aber die Anwendung der
neuen Gesetzesnorm an die Erfüllung des im Militärstrafgesetzbuch schon
bestimmten Straftatbestandes der Plünderung hätten binden wollen und so zu sehr
milden Strafen gekommen wären. Die dazu berichteten Tatsachen waren richtig13,
stellen aber nur einen Teil des Phänomens dar.
Unbestritten waren Art und Ausmaß der entstandenen Schäden: Diebstahl und
Verwüstung fast im ganzen Gebiet. Im Moment der Evakuierung hatte die
Bevölkerung nur das Allernotwendigste mitnehmen können und Häuser und
Wohnungen hatten auf Anordnung der Evakuierungsbehörden unverschlossen
zurückgelassen werden müssen. Alles war vertrauensvoll dem Schutz der Wehr¬
macht übergeben worden, die in den verlassenen Wohnungen Quartier bezog.
Damit hatte dann aber auch alles dem Zugriff nicht nur des Militärs offengestanden.
Obwohl es in den ersten Monaten nach der Evakuierung für die Bewohner nur in
Ausnahmefällen möglich war, nochmals in ihre Wohnungen und Häuser zu
gelangen und nach dem Rechten zu sehen, waren schon allein in den beiden ersten
Monaten nach der Evakuierung mehr als 600 Anzeigen wegen Diebstahl und
Zerstörung von Hausrat bei den Staatsanwaltschaften eingelaufen14. Ein Teil davon
ist aus Berichten und Verfahrensakten lokalisierbar und kann so die geographische
Verteilung zumindest der bekannt gewordenen Fälle andeuten.
9 Hans Magnus ENZENSBERGER, Der arglose Deserteur. Rekonstruktion einer Hinrichtung, in: DERS.,
Politische Kolportagen. Frankfurt 1966, S. 142-168.
10 Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade) 1934-1940. Bd. 1-7.
Frankfurt 1980, hier Bd. 6, S, 972-975.
11 Herrmann (wie Anm. 1), S. 73.
12 Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS, 1938-1945,
Hg. v. Heinz Boberach. Herrsching 1984, S. 621 f.
13 Die Urteile zu den konkret besprochenen Fällen finden sich in BArch: R 22/2743.
14 BArch: R 22/2743, worauf die folgende Auswertung beruht. Die Zahl der Anzeigen schwoll 1940
noch weiter auf einige Tausend an, so daß schließlich Anzeigen gegen Unbekannt nur noch polizeilich
bearbeitet wurden, Klaus Oldenhage, Die Pfalz und das Saarland während des Krieges 1940-45.
Aus den Lageberichten des Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwaltes in Zweibrük-
ken, in: JbWestdtLdg 5 (1979), S. 303-356, hier S. 315, 323, 328, 335.
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