d’atteliers et ouvriers), eine der ältesten in Deutschland94, kennt schon Pensionsan¬
sprüche nach Unfall, Krankheit oder 30jähriger Betriebszugehörigkeit und sogar
einen Werksarzt (chirurgien médecin de l’établissement). Und einen ganzen
Katalog von Fürsorgemaßnahmen bis zu Kranken- und Pensionskassen, zur
Feuerwehrkompagnie und Musikkapelle, empfiehlt 1845 in einer Fabrikmusterord¬
nung der Dillinger Papierfabrikant Louis Piette (1803-1862), der - unmittelbarer
Nachbar der Hütte und mit deren Direktoren verschwägert - dem Preußischen
Zentralverein zum Wohl der arbeitenden Klassen seit Gründung angehörte95. Es ist
fast undenkbar, daß Steinbeis die Dillinger Ordnung und die z. T. auf ihr fußende
Publikation Piettes nicht gekannt und verarbeitet haben sollte.
Die Position Lichtenbergers - erstmals im Juni 1844 als Oberbuchhalter belegbar96
- und seines Hauptbüros97 erfuhr durch die umfassenden Direktionsbefugnisse
Steinbeis’ keine Beeinträchtigung, eher eine Arbeitsentlastung zugunsten einer
besseren Aufgabenverteilung. Vielleicht kann man von einer auf Lichtenberger und
Steinbeis gestützten Troika in der Konzernspitze reden, deren Schwachpunkt
allerdings der - zumal in den wirtschaftlichen Wechsellagen des späten Vormärzes
- immer mehr zu Depressionen und Schwermut neigende Konzernchef selbst
wurde.
So kam es fast zwangsläufig im Februar 1847 zu einer Kollission zwischen
Steinbeis und Lichtenberger wegen irgendeines Monitums, das der Oberbuchhalter,
dem die Innenrevision oblag, auf Anweisung Stumms, direkt an Steinbeis adressier¬
te, wogegen dieser, der seinen Arbeitsvertrag - direkte Unterstellung unter Stumm
- verletzt sah, beim Absender protestierte98. Auf Lichtenbergers formell-kühle
Entschuldigung lenkte Steinbeis, der u. a. bemängelte, die Revision habe zu prüfen,
nicht zu urteilen, zwar letztlich ein (darum keine Feindschaft nicht), ließ Lichten¬
berger (!) aber wissen, daß er, falls Stumm von seinem Verhalten unangenehm
berührt sei, es auf einen offen Bruch (nach Luther: hier stehe ich . ..) ankommen
lasse99. Das Verhältnis zwischen Stumm und Steinbeis war demnach sehr gespannt
94 КОСКА, Unternehmer, S. 77 f,, Ders., Angestellte, S. 30 (beide wie Anm. 3) zitieren als erste eine
Lörracher Fabrikordnung von 1837.
95 Zu L. PIETTE, Die Fabrikarbeiter - Einige Worte über die Verhältnisse der Arbeiter zu dem
Fabrikherrn, Saarlouis 1845, vgl. F. PIELLWIG, Louis Piettes Entwurf einer Fabrikordnung, in:
Tradition 1962, S. 124-140; L.v. Piette-Rivage, Geschichte der Papiermacherfamilie Piette-Rivage,
in: Papiergeschichte 19 (1969), S. 25-28, H. BÖRST, Zur Genealogie des Papiermachergeschlechtes
Piette, in: Saarl. Familienkunde 9 (1976), S. 4-7.
96 So bei der Geburt der Tochter Emma am 5. Juni 1844 (PSR Neunkirchen). Die Geburtsurkunde des
ersten Kindes, Charlotte Dorothea, vom 14. Jan. 1843 (ev. Kirchenbuch) blieb vorerst unzugäng¬
lich.
97 Die Funktionen des Hauptbüros sind nicht näher bekannt, werden auch je nach Erfordernis gewechselt
haben. Sicher gehörten dazu die Verwaltung des Gesamtkonzems, auch die des Familienvermögens
(vgl. Anm. 121), die Erstellung der Bilanzen, die Aufsicht über die Beteiligungsgesellschaften, auch
die über die 1835 verselbständigten Hunsrückhütten der Gebr. Böcking, die anfänglich noch unter
Kuratel Carl Friedrich Stumms standen, die Innenrevision usw. - Ein „Haupt-Comptoir“ nennt auch
Коска, Angestellte (wie Anm. 3), S. 29.
98 Schreiben Lichtenbergers (Ausfertigung) u. Steinbeis (Konzept) v. 3./6.Febr.l847 in StA Ludwigs¬
burg Best. PL 702, Nr. 20.
99 Bemerkenswert, daß Steinbeis diesen Entschluß Lichtenberger - evtl, zur Übermittlung an Stumm -
mitteilt.
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