weiblichen Geschlecht noch eine gewisse Lüsternheit mit frommer Andacht
gemischt wahrnehme.
Verschlimmerung oder Verbesserung der Sitten? Das Schloß, wo einst die
Landesherrschaft ihren Sitz hatte, war in den Augen des Bürgers heilig. Zügellose
Freiheitsprediger erhitzten nach Revolutionsgrundsätzen gegen die ehemalige
Regierung. Man beraubte es nach Kriegs- und Erobererrecht. Beifall fanden sie in
einem Städtchen, das bloß durch die Freigiebigkeit seiner Herrschaft sein Dasein
hatte, wenig. Aber nachts raubten auch Bürger im Schloß und gaben ihren Kindern
ein schlechtes Beispiel. Auf dem Lande verschlimmerten sich Anlagen der
Immoralität durch das Beispiel des Raubens und der einreißenden Armut. Man ging
von Schlaghändeln zu Totschlägen über. Derkum zeichnet demnach ein düsteres
Bild der Sittenverschlimmerung im Kanton. Es gleicht dem nicht minder negativen
Sittenbild im Eifel Städtchen Wittlich, das für den Kanton Wittlich der spätere Maire
Schümm 1804 beschreibt8.
Religiöse Gebräuche: Die hiesige Gegend gehörte einst zum Bistum Metz.
Während des Krieges waren die Kirchen meistens geschlossen. Erst im 9. Jahre
(23.9.1801 -22.10.1802) öffneten sich die Kirchen dem Gottesdienst9. Dies ist das
traurige Bild der Sitten und religiösen Gebräuche, welche der Kanton wohl mit
manchen Gegenden gemein haben wird. Und mögen wir offenherzig bekennen, daß
uns die (Französische) Revolution mehr dann über 30 Jahre in dem Hervorstreben
zu wahrer Aufklärung zurückgeworfen hat. . .
Zustandsbeschreibung des Kantons Merzig10
Seit 870 zum Erzstift Trier gehörig, bildete es den Großteil des früheren
gleichnamigen kurtrierischen Amtes. Bearbeiter der Kantonsbeschreibung war der
Förster zu Hausbach Niederreuther, der darüber jedoch 1802 verstarb, so daß seine
Beantwortung fragmentarisch blieb. Er war kein korrespondierendes Mitglied der
Gesellschaft für nützliche Untersuchungen zu Trier.
Landwirtschaft: Es gibt teils fette, schwarze, teils Sandböden. In den Meiereien
Merzig und Bietzen wird als Brotfrucht zumeist Weizen angebaut, aber auch Korn
mit Weizen gemischt, auch Korn allein, ebenso Gerste, teils mit Hafer gemischt, in
den Meiereien Besseringen, Brotdorf, Losheim und Wahlen Korn, Hafer und
Heidekorn. Öl wird aus Rübsamen, Raps hergestellt und im Kanton verbraucht. An
Gemüsen gibt es Erbsen, Bohnen, Linsen, Kohl, Spargel, Kohlrüben, Wirsing,
etwas Artischocken und sehr viel Grundbirnen, teilweise zu Branntwein destilliert.
Weinberge, aber nicht viele, existieren in Besseringen - der Wein ist sehr gut,
8 Ms. 1566/200 2° fol. 22r.
9 1801 hatte der letzte Trierer Erzbischof und Kurfürst Klemens Wenzeslaus v. Sachsen auf sein Amt
verzichtet und 1802 war auf Vorschlag des 1. Konsuls Napoleon Bonaparte Charles Mannay zum
Bischof von Trier ernannt und inthronisiert worden. Bereits am 15. Juli 1801 hatte die französische
Regierung ein Konkordat mit Papst Pius VII. über die freie Ausübung der katholischen Religion und
die Haltung des Gottesdienstes geschlossen.
10 Ms. 1566/200 2° der Stadtbibliothek Trier foll. 88-89, 98-100.
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