Weswegen für die Anordnung des Turmes nicht die Symmetrie gewahrt wurde, ist
schwer zu beantworten47. Wir sind geneigt, als Kriterium ein eingebautes Hospiz zu
unterstellen, für das eine besondere Vorhalle nötig gewesen sein konnte und die
Position eines Turmes hier von untergeordneter Bedeutung war. Die Bauherren
wünschten sich einen Glockenturm bei Kapelle und Hospiz und bekamen ihn. Und
so war es der Brauch: Der Bischof von Beauvais ordnete im Jahre 1323 für eine
Pilgerstation am Pariser Jakobsweg an, man solle eine Kapelle bauen, einen
Friedhof anlegen und eine Glocke von zweihundert Pfund Gewicht gießen lassen.
Natürlich wollten die Vogelbacher Stifter auch repräsentieren und der reisenden
Welt ein schmuckes Bauwerk geben und zeigen. Wie schlicht hingegen sah damals
im Westrich eine dörfliche Pfarrkirche aus! Saal, Chorturm im Viereck mit
Satteldach darauf. In Vogelbach hingegen ein herausragender Achteckturm mit
entsprechendem Helm48.
Ohne mancherlei Schaden daran, aus Gründen wie immer, kam das Bauwerk
allerdings nicht davon. Im Jahre 1317 erkennt sich die Gemeinde Vogelbach für
schuldig, daß sie den Turm bauen, das Chor decken und den Teil der Mauer am
Kirchhof gegen den Weg bauen soll49. Das hört sich nach Verfall an. Tatsache ist,
daß in fraglicher Zeit der Turm ab Obergeschoß neu erbaut wurde und das
Langhaus ein höheres Dach bekam. Zeugnis dafür ist aufgesetztes Mauerwerk,
dessen Quader Löcher haben, so am Turm (Abb. 4 c) und an den Ortgängen der
Giebelseiten des Langhauses (Abb. 4 a). Sogar die alten Traufsteine an den
Gebäudeecken hat man übermauert (Abb. 4 b). Der Ortgang ist nun als Schmiege
ausgebildet.
Die Löcher in den Steinen bekunden eine Hebetechnik, wie sie um die Wende vom
13. zum 14. Jahrhundert allgemein üblich wurde und bis Anfang des 16.
Jahrhunderts gebräuchlich war. Die Spitzen der Zange faßten in beiderseitige
Löcher und zwängten sich fest, sobald es vom Tretrad des Kranen Hubzug gab.
Derartiger Baubetrieb ist auf einem Holzschnitt vom Jahre 1499 dargestellt (Abb.
5), und eine ganz prächtige, originale Zange ist im Museum der ehemaligen
Zisterzienserabtei Maulbronn zu sehen.
Mehr über die Baugeschichte zu sagen, erlaubt der Rahmen dieses Aufsatzes nicht;
Spätestens im Jahre 1212 wurde die Kapelle dem Wörschweiler Konvent anver¬
traut50, und die Stifter betrachteten das Ensemble ganz legitim als Eigenkirche. Es
klingt in den Urkunden durch, daß man sich darüber stritt, ob der Kapellenpriester
in geistlicher Hinsicht dem Abt oder dem (Hornbacher) Erzpriester unterworfen
47 Eine ähnliche Assymetrie ist an der etwa gleichzeitigen Prämonstratenserkirche von Enkenbach b.
Kaiserslautern zu beobachten, wo allerdings der Turm dem Langhaus vorgesetzt ist.
48 Das ist eine Rarität in der Pfalz, vergleichbar nur mit dem Westturm der Kirche von Ilbesheim b.
Kirchheimbolanden, wo auf rechteckigem Untergeschoß drei Geschosse ins Achteck übergehen (R.
W. Gassen, Romanik in der Pfalz, 1991, S. 138). - Vgl. zur baulichen Systematik H. E. Kubach, in:
Kirchen, Dome und Klöster. Kunst und Kultur in Rheinland-Pfalz, hrsg. v. B. ROLAND, 1982, S. 151
mit Abb. S. 158. Vogelbach ist nicht berücksichtigt.
49 Neubauer (wie Anm. 11), Nr. 549 (1317). Diese Vogelbacher Gemeinsleute waren dem Kloster auch
den Zehnten schuldig.
50 Neubauer (wie Anm. 11), Nr. 26, 28, 29 u. 46.
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