Vielleicht könnte auch die erheblich beschädigte Statue eines Königs (?), dem die
Beine abgeschlagen sind bis auf Stümpfe der Oberschenkel, dem der rechte
Unterarm und Teile der linken Hand fehlen und dessen Kopf abgebrochen und
verstümmelt, aber wieder angestückt ist, im Depot des Musée de la Ville in Epinal
zur Parler-Strömung in Lothringen gezählt werden (Abb, 22). Seine vom offenen
Mantel umfangene taillierte Gestalt mit dem tiefsitzenden Plattengürtel (Dupsing,
Dupser) lassen ihn auf die Zeit um 1370-1390 datieren. Die Haltung der nur
fragmentarisch erhaltenen linken Hand, deren Finger wohl in das doppelte
Mantelband vor der Brust griffen, spiegelt eine seit dem 13. Jahrhundert gebräuch¬
liche Geste bei Fürstenbildern. Sollte hier bewußt eine durch die ältere Tradition als
herrscherliche Würdeform überlieferte „Zeichensprache“ verwendet worden sein,
weil es sich um die Vergegenwärtigung eines Königs oder Kaisers der Vergangen¬
heit handelt, - wie bei zahlreichen Darstellungen Karls des Großen? (Leider war
eine genauere Untersuchung dieses wichtigen Fragments im Museum von Epinal in
den letzten Jahren nicht möglich, weil nach dem Neubau des Museums das Depot
nicht zugänglich war. Auf einer älteren Photographie kann man immerhin erken¬
nen, daß es sich um einen bärtigen Kopf mit parlerisch anmutenden Augen handelt,
dessen Falten (Krähenfüße seitlich der Augen, Reste von Stirnfalten) auf den Typus
eines alten Monarchen schließen lassen. Genug der archäologischen Spurensuche,
die sich unter großem Zeitaufwand in den Depots der Museen von Metz, Nancy,
Epinal usw. fortsetzen ließe! Abschließend sei noch ein bisher ganz unbeachtetes
Bildwerk besprochen.
Die St. Blasius-Statue der Pfarrkirche St-Blaise in Bonviller
Eine lange Zeit in einer Nische der kleinen Pfarrkirche von Bonviller, unweit von
Lunéville im Departement Meurthe-et-Moselle, plazierte Skulptur des thronenden
Bischofs Sankt Blasius ist seit einigen Jahren ins Kircheninnere gestellt worden,
um es vor weiteren Verwitterungsschäden und sonstigen Gefährdungen zu sichern
(Abb. 23-24). Es handelt sich um eine höchst originelle, seltene Darstellung des
Heiligen. Leider machen die Beeinträchtigungen durch Wetterschäden an der
Steinhaut (auch durch Moose oder Algen) die inhaltreiche Plastik unansehnlich:
Die Skulptur ist aus einem pfeilerartigen Vierkantstein gehauen, dessen Seitenflä¬
chen und Kanten in der Gesamtform deutlich erkennbar bewahrt wurden. Die
schmale Gestalt des mit der Mitra gekrönten Heiligen sitzt eng im Bischofsstuhl,
der dem Umrissen des vierkantigen Werkstücks angepaßt ist. Die Grundfläche des
Kalksteinprismas mißt 36 mal 36 cm, sie ist also quadratisch. Von ihr bis zur
Mitraspitze erreicht die Sitzfigur eine Höhe von 1,25 m. Borten und zwei
Schmuckapplikationen (über Eck gestellte kleine Quadrate) an der Mitra sind ganz
flächenhaft geformt, vergleichbar mit der etwas reicher ornamentierten Mitra des
Bischofskopfes aus Blämont im Museum zu Nancy. Und wie dort quellen unter der
Mitra Locken hervor, beim Heiligen Blasius kleinteiliger gekringelt als beim
Bischofskopf aus Blämont mit seinen gedrehten Bandlocken älterer Tradition, ln
seiner rechten unter dem Sudarium verborgenen Hand hielt der Heilige den
Bischofsstab, von dessen Krümme nur die Bosse an der rechten Schulter erhalten
ist. Auch die linke Hand ist nicht sichtbar, sie hält unter dem Gewand versteckt ein
131