tenhemd legt einen Vergleich mit dem Reiterheiligen Georg in Domjulien nahe,
dessen parlerischen Charakter wir schon 1959 konstatierten14.
Diese monolithe Kalkstein-Skulptur von etwa 1,30 m Höhe darf als ein Hauptwerk
der Parler-Strömung in Lothringen bezeichnet werden, als ein außerhalb von Metz
und zwar im südlichen Departement Vosges befindliches Beispiel, dessen Standort
Fragen aufgibt. Domjulien war Burgsitz der Herren de Ville-sur-Illon, deren
Stammsitz im gleichnamigen Ort (Ville-sur-Illon) an der alten Römerstraße
zwischen Basel und Metz gelegen ist. Mehrere Seigneurs de Ville-sur-Illon
bekleideten höhere Ämter im Dienste der Herzoge von Lothringen und im 15.
Jahrhundert regierten sie als Bischöfe von Toul. Man kann annehmen, daß die
St.-Georg-Reiterstatue diesem Geschlecht seine Stiftung verdankt. Das Bildwerk ist
im übrigen, wie schon früher erörtert, auch wegen seines Gesichtstypus von
besonderem Interesse: die runde Antlitzform hat erstaunliche Ähnlichkeit mit der
des Geistlichen Kursfürsten von Trier am Schönen Brunnen zu Nürnberg (Original¬
fragment im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg; am Marktbrunnen Kopie),
in dem Franz Ronig - im Vergleich mit einer schriftlichen Charakterisierung und
mit einer Buchmalerei - das Porträt des Trierer Erzbischofs Kuno von Falkenstein
erkannt hat15. Die Diözese Toul gehörte im 14. Jahrhundert zur Erzdiözese Trier.
Sollte dem streitbaren Trierer Kirchenfürsten - wie am Nürnberger Schönen
Brunnen - mit der Reiterskulptur parlerischer Stilistik ein Denkmal in Domjulien
(wenn dies der ursprüngliche Standort war) gesetzt werden? Darüberhinaus kann,
wie auch schon 1959 geschehen16, rein stilistisch die Verbindung zu den Parler-
Spuren in Basel gezogen werden, zu den Madonnen vom Fischmarktbrunnen und
vom Spalentor (beide Originale im Historischen Museum der Stadt Basel), deren
Köpfe ebenfalls Gesichtszüge tragen, die mit denen des Heiligen Georg in
Domulien, aber auch mit dem Kurfürsten von Trier vom Nürnberger Schönen
Brunnen vergleichbar sind.
Ein Bischofskopf aus Blâmont im Musée Historique Lorrain in Nancy wäre hier
anzuschließen (Abb. 21). Auch er wurde bereits 1959 als parlerisch definiert17 und
auch in der Kölner Parler-Ausstellung von 1978 in diesem Zusammenhang gezeigt
und im Katalog behandelt und abgebildet18.
Auch dieses Gesicht ist mit den leicht vorquellenden Augäpfeln („Froschaugen“)
und mit den Augenlidern in rahmender Manelform sehr bezeichnend für Eigenhei¬
ten parlerischer Plastik. Die Herkunft des Fragments aus Blâmont (Blankenberg)
am westlichen Vogesenhang deutet auf mögliche Zusammenhänge mit der ober¬
rheinischen Parler-Skulptur von Basel, Freiburg i.Br. und Straßburg.
14 Annales Universitatis Saraviensis, vgl. Anm. 5, Vol. VIII, Saarbrücken 1959, S. 287 - 298 mit 6
Abb.: Verf.: St. Georg in Domjulien (Südlothringen)-Eine unbekannte Reiterskulptur der späten
Parier Zeit.
15 Franz Ronig: Die Statue des Trierer Kurfürsten am „Schönen Brunnen“ in Nürnberg - ein Porträt? In:
Landeskundliche Vierteljahresblätter 1977, S. 131-134; ders.: Die Bildnisse Kunos von Falkenstein:
Typ oder Porträt? In: Ausst.-Kat. Die Parier u. d. Schöne Stil . . (vg. Anm. 1 u. 12), Köln, 1978, Bd. 3,
S. 211-214.
16 vgl. Anm. 14.
17 vgl. Anm. 14.
18 vgl. Anm. 1 u. 12.
130