IV.
In der Welt der großen Politik ist kaum etwas so vergänglich wie ein Staatsbankett,
es sei denn daß Historiker sich dieses letztlich doch nur vitaler Notdurft dienenden
Vorgangs annehmen. Der Verfasser von C war in dieser Hinsicht sehr viel
zurückhaltender als der Autor von M, der freilich mit dem großen Interesse der
Zeitgenossen rechnen durfte, denn vor allem das Diner vom Epiphaniastag muß ein
enormes Aufsehen erregt haben. Einer allerdings scheint verärgert gewesen zu sein,
und zwar ausgerechnet derjenige, zu dessen Ehren das alles gekocht, gebraten,
aufgetragen und inszeniert worden war. Im Bericht eines Metzer Chronisten über
Karls IV. Parisreise nimmt das große Staatsbankett und des Kaisers mißmutige
Reaktion darauf mehr als die Hälfte des Textes in Anspruch60: Der König von
Frankreich habe dem Kaiser ein sehr großes Diner gegeben mit so vielen Gängen,
daß es ein Wunder gewesen sei. Wenn abgetragen wurde, sei alles weggeworfen
worden. Dann habe der Kaiser dem König ein Diner gegeben, und zwar mit (nur)
zwei Gängen. Als erstes wurde ein großes Stück Rindfleisch aufgetischt, ein in
Rüben gekochter Kapaun und Gemüse mit Speck. Als zweiten Gang gab es
Kapaune und geröstete Ferkel in Sauce und Gelee. Der dritte Gang (!) bestand aus
Gebäck, Birnen und Nüssen. Von all dem, was auf den Tisch gebracht wurde,
sowohl vom Wein als auch vom Fleisch, sei nichts weggeworfen, sondern alles
Gott zu Ehren als Almosen vergeben worden. Daher sei dieses Diner mehr
gepriesen worden als das des Königs. Der Kaiser habe dazu bemerkt, daß er nach
deutschem Brauch ein Essen gegeben, das großzügiger gewesen sei, wenngleich
das französische Diner viel mehr gekostet hätte.
Auch wenn fraglich bleiben muß, ob der Metzer Chronist hier eine authentische
Äußerung des Kaisers referiert hat61: Karls tatsächliche Gefühle nach dem Ende des
Staatsbesuchs dürften nicht allzu weit von der Stimmung abgewichen sein, die mit
dieser Anekdote assoziiert werden sollte. Die beiden Monarchen hatten sich
wechselseitig in vager Form Unterstützung zugesagt, beim Kampf gegen England
bzw. bei der Wahrung der Herrschaft im Reich62. Karls IV. Ersuchen um Hilfe bei
der Durchsetzung der böhmischen Hoffnungen auf die Krone Polens war von
60 Die Metzer Chronik des Jaique Dex (Jacques d’Esch) über die Kaiser und Könige aus dem
Luxemburger Hause, hrsg. v. G. WOLFRAM; Metz 1906, S. 313. Das hier frei übersetzte Original des
Textes lautet; Le dit roy de France donnait le dit empereur a digner très grandement et de tant de
pairez de met que ce fuit merveille, dont le paillaige rôtis estait rôtis et quant on derservoit, on raluoit
tout. Puez donnait le dit empereur a digner le dit roy de France de II pairez de met, c’est assavoir le
premier une grant piece de boeuf et ung chappont boillis au navel et une joutte au baucon. Le second
met chappons et pourcillons rostis sen sause et gellee. Le tier met lachefrites, poierez et neuxes. Et
tout quant que on estoit desor tauble tant de vin comme de viande on n ’en raluoit riens, mais tout
gittez on pot a l’ausmonne et tout donnei pour Dieu aprez dignei. Se fuit plux prisier que le disney du
roy pourtant c’on ne raluoit rien. Et disoit le dit empereur qu’il donnait grossement a disner selong la
coustume d’Allemaigne, combien que le disney de Fransoys estoit trop pluz coustangeauble.
61 Die Metzer Chronik enthält noch mehr Anekdoten über Karl IV., eine davon spielt auf der Heimreise
des Kaisers und scheint von dem Metzer Amann Poince de Vy erzählt worden zu sein, auf den
vielleicht auch die oben referierte zurückgeht, vgl. S. 315.
62 Die Hoffnung auf Karls V. Hilfe bei der Wahrung von Wenzels Herrschaft wird auch von der Metzer
Chronik erwähnt, S. 313.
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