Annette Maas
Kriegerdenkmäler und Gedenkfeiern um Metz
Formen und Funktionen kollektiver Erinnerung in einer Grenzregion
(1870/71-1918)1
Die Schlachten um Metz - Colombey-Borny am 14. August, Gravelotte - Mars-la-Tour
am 16. August und die Entscheidungsschlacht bei St. Privat am 18. August 1870 - wur¬
den nicht nur als eine rein militärische Auseinandersetzung erlebt, sie waren auch für
das kollektive Bewußtsein beider kriegführender Nationen von großer Bedeutung.
Bereits in den ersten Kriegswochen war der Nimbus der französischen Unbesieg¬
barkeit zerstört worden durch die überraschend schnelle deutsche Siegesfolge, welche
auf deutscher Seite ein ungeheures Siegesbewußtsein, eine Welle nationaler Begeiste¬
rung, auslöste. Das Jahr 1871 stand für die Erfüllung der langgehegten Hoffnung auf
nationale Einigung. In Siegesfeierlichkeiten, Festspielen, Gedenktagen und Denk¬
malseinweihungen wurde Patriotismus zu einer real erfahrbaren Größe.
Auf französischer Seite stand verständlicherweise weniger die Verherrlichung der Ge¬
genwart im Mittelpunkt als die schwere Aufgabe der Bewältigung der Niederlage in
nationaler Trauerarbeit. Das Trauma des verlorenen Krieges, die "provinces perdues"
und die Erinnerung an das "année terrible", das die gesamte Nation gezeichnet hatte,
mußten durch Überhöhung des patriotischen Heldentums kompensiert werden. Die
Hoffnung, das gedemütigte Frankreich könnte am großen Leid wachsen und eines
Tages wieder erstarken, half, die Niederlage in Ansätzen zu verarbeiten.
Sowohl das Siegesbewußtsein als auch der Schmerz der Niederlage manifestierten sich
in der Errichtung von Denkmälern,2 überwiegend in der Sonderform des Krieger-
bzw. Schlachtendenkmals. Solche Denkmäler wurden entweder am Bestattungsort der
1 Der vorliegende Artikel stützt sich auf ausführlichere Analysen meiner 1988 an der Uni¬
versität Nancy II bei Prof. Pierre Barrai und Prof. Etienne François erstellten Maîtrisearbeit:
"Kriegerdenkmäler um Metz (1870/71-1918). Mentalitätsgeschichtliche Untersuchungen im
deutsch-französischen Spannungsfeld." Auf eine vollständige Darstellung der systematischen
und formalen Auswertung der Kriegerdenkmäler hinsichtlich raumzeitlicher Verteilung,
Ikonographie und Inschriften mußte in vorliegendem Artikel verzichtet werden. Alle reprodu¬
zierten Fotos stammen von der Verfasserin; Abbildung 3 in Privatbesitz.
Zum Krieg 1870/71 s. Eberhard Kolb, Der Weg aus dem Krieg. Bismarcks Politik im Krieg
und die Friedensanbahnung 1870/71, München 1989; La guerre de 1870/71. Actes du 20e
colloque historique franco-allemand, hrsg. v. Philippe Levillain u. Rainer Riemenschneider,
Bonn 1990, sowie François Roth, La guerre de 70, Paris 1990.
2 Zu dieser nationalen Besonderheit s. Eugène Poiré, Les Monuments Nationaux en Allema¬
gne, Paris 1908, S. IV: "La défaite, cependant, avec tout ce qu’elle entraîne à sa suite de
calamités publiques et de détresses privées, est-ce un souvenir à conserver par le marbre et le
bronze. Cette statuomanie militaire, destinée à commémorer des malheurs nationaux, doit
surprendre beaucoup les étrangers qui nous visitent, car elle est spéciale à notre pays, et elle
ne se manifeste nulle part ailleurs."
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