Full text: Stadtentwicklung im deutsch-französisch-luxemburgischen Grenzraum

Wohnungsfrage, Industrialisierung und Proletarisierung in Luxemburg - Ergebnisse 
und Fragen 
Kommen wir zurück zu der Frage der ausgebliebenen Proletarisierung. Um diese These 
zu bestätigen, hätten sich in Bezug auf die Wohnsituation u.a. folgende Merkmale 
ergeben müssen: Beachtung der Bauvorschriften, geringer Anteil von Kost- und 
Schlafgängern an der Wohnbevölkerung, Mindestanteil an leerstehenden Wohnungen, 
Vorhandensein von Aborten, Badezimmern, Mansarden, Kellern und Speichern in 
einer großen Anzahl von Häusern bzw. Wohnungen, wenig überfüllte Wohnungen, 
angemessene Zimmerzahl pro Wohnung, 1 Person pro Bett, Fehlen von Keller-, 
Speicher- und Stallwohnungen sowie Zunahme der Häuser- und Wohnungszahl 
proportional zum Wachstum der Bevölkerung. 
Die Ergebnisse der Häuser- und Wohnungsuntersuchung wiesen eindeutig nicht in 
diese Richtung. Sie zeigten überdies den "halboffenen" Charakter der Wohnungen 
vieler Arbeiterfamilien,28 bedingt etwa durch das Schlafgängerwesen, die gemeinsa¬ 
me Benutzung der Aborte oder die Aufteilung der Wohnung in einem Mehrfamilien¬ 
haus auf mehr als ein Stockwerk, so daß die Wohnung kein "abgeschlossenes Ganzes" 
mehr bildete (HW2, S. 26). 
Die Unterschiede zwischen dem Viertel "Italien" und der übrigen Gemeinde sowie 
zwischen dem Hauptort Düdelingen und den beiden Dörfern Büringen und Buders- 
berg, die zumeist in einer günstigeren Situation als Düdelingen waren, wurden darge¬ 
stellt. Tabelle 4 gibt Vergleichszahlen mit den beiden anderen Industriezentren des 
Luxemburger Eisenerzbeckens Differdingen und Esch-sur-Alzette.29 
In wesentlichen Punkten zeigte dabei die Gemeinde Düdelingen, im Vergleich zu 
Differdingen und Esch, die ungünstigsten Verhältnisse auf. So wies Düdelingen die 
höchste Zahl an überfüllten Mietwohnungen und die höchste Zahl der Wohnungen 
mit unzureichendem Wohnraum sowie die niedrigste Zahl an leerstehenden Wohnun¬ 
gen auf. Hier lebten relativ mehr Einwohner in unzureichenden oder gar feuchten 
Wohnräumen und in Wohnungen mit weniger als 8 m2 Wohnfläche pro Person. In 
mehr Wohnungen als in den beiden anderen Orten wurde ein Abort von fünf oder 
mehr Familien gemeinsam benutzt. Insgesamt war der Wohnstandard aber auch in 
den beiden anderen Orten keineswegs als ausreichend zu bezeichnen. 
28 S. etwa Heidi Rosenbaum, Formen der Familie, Frankfurt a. Main 1982, S. 436; dort auch 
Anmerkungen zur kontroversen These, daß die "halboffene'’ Familienstruktur eine Basis für 
solidarische Aktionen abgegeben habe und so etwa das Schlafgängerwesen positiv zu bewerten 
sei. S. auch Josef Ehmer, Wohnen ohne eigene Wohnung. Zur sozialen Stellung von Unter¬ 
mietern und Bettgehern, in: Wohnen im Wandel. Beiträge zur Geschichte des Alltags in der 
bürgerlichen Gesellschaft, hrsg. v. Lutz Niethammer, Wuppertal 1979, S. 132-150, hier S. 132. 
29 Daß das einfache Nebeneinander bestimmter Faktoren vom statistischen Standpunkt aus 
nicht sehr ergiebig ist, liegt auf der Hand. Multivariate statistische Verfahren, etwa die von 
Wischermann in diesem Zusammenhang eingesetzte Clusteranalyse (Wischermann, Anm. 18, 
S. 220ff.), erlauben eine dichtere Beschreibung der Daten. Es ist geplant, diese Verfahren im 
weiteren Verlauf des Forschungsprojekts anzuwenden. Zur Clusteranalyse allg. s. Johann 
Bacher, Einführung in die Clusteranalyse mit SPSS-X für Historiker und Sozialwissenschaftler, 
in: Historical Social Research/Historische Sozialforschung, Vol. 14, 2(1989), S. 6-167. 
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