Bildung eines Armenausschusses vor, dessen Zuständigkeit sich über die gesamte
offene und geschlossene Armenpflege erstreckte. Zu seiner Unterstützung wurden 21
Armenpfleger bestellt, die, nach der Aufteilung der Stadt in ebensoviele Armen¬
pflegebezirke, jeweils zehn arme Familien oder Personen zu betreuen hatten6 und
deren Aufgabe es war, sich durch Hausbesuche "Kenntniß von den Verhältnissen des
Bittstellers"7 zu verschaffen. Die Familien- und Vermögensverhältnisse der Armen
wurden in einem Fragebogen festgehalten und das Gesuch um Unterstützung in der
nächsten Sitzung des Armenausschusses vorgebracht. Die Funktion des Armenpflegers
war eine erzieherische und kontrollierende (Abb. 1). Die regelmäßige Unterstützung
der Armen in St. Johann erfolgte durch Geld. Sie wurde 14tägig im voraus bezahlt
und bis auf weiteres bewilligt. Nur in Ausnahmefällen erfolgte eine Unterstützung mit
Lebensmitteln oder Brennmaterial.8 (Abb. 2)
Wesentliche Modifikationen in der St. Johanner Armenordnung gegenüber dem
Elberfelder System waren: Das Prinzip der Ehrenamtüchkeit wurde erstens nicht
konsequent durchgeführt, denn die Gemeinde stellte besoldete Armenschwestern
(Speyerer Diakonissen) ein, die die eigentlichen Pflegeaufgaben und fürsorgerischen
Tätigkeiten übernahmen.9 Zweitens wurde die geforderte Mindestzahl von zu ver¬
sorgenden Armen nicht eingehalten, denn bei einer strengen Durchführung des
"Elberfelder Systems" sollte jeder Pfleger nur zwei bis vier Arme versorgen. Dieser
Punkt wurde von vielen Städten abgeändert, weil sich die Zahl der Pfleger sonst
beträchtlich erhöht hätte. Drittens wurde in St. Johann, wie in einigen anderen
Städten übrigens auch, die Entscheidungsbefugnis über die zu erteilenden Unter¬
stützungen den Pflegern abgenommen. Es hätte eine dritte Verwaltungsebene,
nämlich die der ebenfalls ehrenamtlich tätigen Bezirksvorsteher, eingeführt werden
müssen, in deren Kompetenz die Entscheidungsbefugnis gelegen hätte.10 So blieb die
Kontrolle über die zu verteilenden Haushaltsmittel in der öffentlichen Hand, nämlich
beim Bürgermeister und dem Armenausschuß, dem mehrheitlich Stadtverordnete
angehörten.
Bei der Einführung des modifizierten "Elberfelder Systems" in St. Johann standen
neben der Zielsetzung, die kommunale Armenfürsorge organisatorisch wirksamer und
6 Stadtarchiv Saarbrücken, Bestand St. Johann Nr. 91, Bestimmungen zur Neueinrichtung des
Armenwesens von St. Johann a.d. Saar, St. Johann 1889, S. 5-6. Ebd. Bestand Alt-Saarbrücken
Nr. 87, p. 43-47. Künftig werden folgende Abkürzungen verwendet: Stadtarchiv Saarbrücken
= StadtA SB; Landeshauptarchiv Koblenz = LHA KO; Bestand = Best.; Alt-Saarbrücken =
AS; St. Johann = SJ; Malstatt-Burbach = MB; Saarbrücken = SB.
7 StadtA SB, Best. SJ Nr. 91, Bestimmungen zur Neueinrichtung des Armenwesens (Anm. 6),
S.7.
8 StadtA SB, Best. SJ Nr. 91, Bestimmungen zur Neueinrichtung des Armenwesens (Anm. 6),
S. 7, 15, 17 und 22f. Ebd. Best. AS Nr. 87, p. 43-47,
9 StadtA SB, Best. SJ Nr. 44. Ebd. Best. SJ Nr. 1405. Ebd. Best. AS Nr. 87, p. 43-47.
10 Christian Jasper Klumker, Fürsorgewesen. Einführung in das Verständnis der Armut und
der Armenpflege, Leipzig 1918, S. 56f. u. 59.
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