Full text: Stadtentwicklung im deutsch-französisch-luxemburgischen Grenzraum

Gleichzeitig wurde ein Munizipalrat gewählt, dessen Wahl durch den Landrat bestätigt 
werden mußte. Das Wahlrecht zu diesem Rat war nicht mehr an den Besitz von Land 
gebunden, sondern an die Zahlung einer bestimmten Steuersumme. Dies erweiterte 
zwar den Kreis der Wahlberechtigten gegenüber der Zeit des Ancien Régime, ein all¬ 
gemeines Wahlrecht aller männlichen Erwachsenen war jedoch damit nicht verbun¬ 
den. Die Aufgaben dieses Rates beschränkten sich auf die Überprüfung der Gemein¬ 
derechnungen, die Verteilung der gemeindlichen Arbeiten, wie z.B. Wegebau, die 
Verteilung der der Gemeinde zugewiesenen Güter, u.a. von Weiden oder Brandholz, 
und der Abgabe von Gutachten bei Bauvorhaben.12 Neben den gewählten Mitglie¬ 
dern, meist Bauern und einigen Handwerkern, waren die größeren Grundbesitzer in 
der Gemeinde als geborene Mitglieder mit Sitz und Stimme im Gemeinderat ver¬ 
treten. 
Die Verschiebung der politischen Führungsrolle von den Bauern auf nunmehr wichti¬ 
ger werdende soziale Schichten wird deutlich bei der Betrachtung der politischen 
Führungskräfte Neunkirchens: So war von 1806 bis 1825 Franz Couturier Bürgermei¬ 
ster, ein Händler und Fabrikant aus Sarreguemines, der erst durch den Kauf des alten 
Neunkircher Schlosses 1803 Grundbesitzer und Bürger in Neunkirchen geworden 
war.13 Die Nachfolger Couturiers als Bürgermeister waren alle bereits preußische 
Verwaltungsfachleute. 
Die enge Verbindung zwischen der Gemeinde und dem dominierenden Wirtschafts¬ 
unternehmen wird darin deutlich, daß einer der Beigeordneten der Gemeinde entwe¬ 
der der Hüttenbesitzer oder ein höherer Angestellter des Hüttenwerkes war und dies 
im extremsten Falle sogar das jüngste Mitglied des Gemeinderates sein konnte. So 
war es am 24. Oktober 1833 geschehen, als der 29jährige Carl-August Kromayer, der 
Verwalter der Eisenhütte, zum Beigeordneten ernannt wurde, vorbei an allen alt¬ 
eingesessenen - und älteren - Bauern und Handwerkern.14 
Die Rolle der politisch führenden Schicht in Neunkirchen mußten die Bauern in 
Neunkirchen teilweise abtreten, ihnen blieben jedoch durch den Landbesitz z.T. 
erhebliche Vorteile gegenüber den nicht landbesitzenden Schichten, deren Anteil an 
der Bevölkerung insbesondere durch die mit der Industrialisierung einsetzende 
Zuwanderung zunahm. Dies hatte eine immense Nachfrage nach Siedlungsplätzen zur 
Folge, wodurch die Alteingesessenen erhebliche ökonomische Vorteile gegenüber der 
neu zuziehenden Bevölkerung hatten. Die Bedeutung der Landwirtschaft für das 
Leben der Neunkircher wird auch darin deutlich, daß ein Großteil der bis 1850 im 
Gemeinderat behandelten Angelegenheiten sich um Belange der Landwirtschaft 
drehte.15 
Zwei Beispiele seien noch genannt, die die Situation der Menschen und das Angewie¬ 
sensein auf elementare Subsistenzmittel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
12 Barsch (Anm. 7), Bd. 1, S. 155. 
13 Bernhard Krajewski, Von Wald und Weide, Ackerbau und Rotthecken, in: Stadtbuch 
(Anm. 1), S. 55-74, S. 59. 
14 StA NK, A-I 67, Bl. 53ff. 
15 Krajewski, Von Wald und Weide (Anm. 13), S. 71. 
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