Hypotheken zu übernehmen55 - denn nur so ließ sich die damals bei der Bestellung
von Kreditsicherheiten bestehende Schwierigkeit aus dem Wege räumen, daß diese
Hypotheken nach Ablauf der Erbbaurechtszeit ersatzlos erlöschen sollten.
Damals war allerdings weder für die Stadt noch für die Erbbaurechtsnehmer ab¬
zusehen, daß die Mark von 1914, die allen Verträgen zu Grunde lag, nach zweimali¬
ger Abwertung im Jahre 1941 z.B. nur noch 6,25 Pfennig wert sein würde. Die
Indexierung von langfristigen Zahlungsverpflichtungen war vor den Erfahrungen mit
der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg jenseits aller Vorstellungen der Finanz¬
praktiker. Rückwirkende Vertragsänderungen mit diesem Ziel, die durch Gesetz in
Deutschland nach der Inflation vorgeschrieben wurden, wirkten sich in Straßburg
nicht aus, da hier der französische Gesetzgeber das Recht des BGB auf dem Stande
von 1918 "eingefroren" hatte. So kam es, daß nach der erneuten Währungsumstellung
1945 und der Abwertung des Franc 1958 die Electricité de Strasbourg zuletzt, im
Jahre 1960, für ihren weitläufigen Verwaltungssitz in bester Innenstadtlage an die
Stadt nur noch 210 neue Francs bezahlte - jährlich. Wenngleich also die erwarteten
jährlichen Einnahmen aus dem Erbbaurechtszins von den Inflationen gefressen
wurden, so hat doch Schwanders Insistieren auf dem Erbbaurecht der Stadt Straßburg
ihren Grundbesitz im ersten Abschnitt des "Großen Durchbruchs" auf Dauer erhalten.
Die Bauten darauf fielen Ende 1960 (nach Auslaufen des auf die Dauer ihrer Kon¬
zession verkürzten 47-jährigen Erbbaurechts für die Electricité de Strasbourg) und
dann vor allem 1980 bis 1985 (nach Auslaufen der 65-jährigen Erbbaurechte an 21
weiteren Grundstücken) in der Tat ohne Entschädigungspflicht an die Stadt Stra߬
burg56 - ein nicht unwillkommenes Erbe aus der Reichslandzeit. Diese so erfolgrei¬
che "politique de prévoyance foncière à longue échéance", die in Frankreich nicht
üblich war und "une des grandes originalités de Strasbourg" darstellte,57 konnte
allerdings nach 1918 wegen des "Einfrierens" des deutschen Bürgerlichen Gesetzbu¬
ches nicht mehr ausgedehnt werden.
Die andere Zielsetzung der Straßburger Stadtverwaltung unter Schwander beim
"Großen Durchbruch", der Versuch einer echten Slum-Sanierung unter Einbeziehung
der Bewohner, mißlang freilich in gewisser Weise. Sanierungen zur Verbesserung der
Wohnungsverhältnisse verschlechtern ja erst einmal die Wohnungsverhältnisse noch
mehr - wenn es an Ersatzwohnungen fehlt. Das wußte man zwar schon um 1910,58
gerade in Straßburg, und deshalb erarbeitete die Stadt mit der Straßburger gemein¬
nützigen Baugenossenschaft, der heutigen "Société coopérative des locations populai-
55 Bericht (Anm. 45), S. 9f.
56 Für diese und andere Auskünfte danke ich M. Stable von der Electricité de Strasbourg
S.A, M. Kintz und M. Woehrling vom Institut du Droit Local Alsacien-Mosellan in Strasbourg
und M. Bartmann von der Ville de Strasbourg, Dept. IX CD.
57 Sylvie Rimbert, La banlieue résidentielle du Sud de Strasbourg. Genèse d’un paysage
suburbain, Paris 1967, S. 28.
58 Vgl. z.B. Hans Christian Nussbaum, Leitfaden der Hygiene für Techniker, Verwaltungs¬
beamte und Studierende dieser Fächer, München 1902, S. 191.
194