Full text: Stadtentwicklung im deutsch-französisch-luxemburgischen Grenzraum

Agenten kaufen solle. Da diese bis dahin ein beträchtliches Ausfallrisiko getragen 
hatten, sollten sie als Provision 5 % statt des üblichen Satzes von 1 % erhalten.35 
Bei ihrem Überraschungscoup, der bis dahin in der Tat verborgen blieb, entgingen 
der Stadt nur 13 Grundstücke; am Ende mußten sogar nur zwei Grundstücke zwangs¬ 
weise enteignet werden (Abb. 2). Mit dem Aufkauf zu Marktpreisen durch Strohmän¬ 
ner hatte Schwander einen überraschenden, zügigen und wohl auch billigeren Ersatz 
für die wenig praktikable Zwangsenteignung nach französischem Recht gewagt. Die 
- bis heute erhalten gebliebene - starke Stellung des berufsmäßigen, besoldeten 
Bürgermeisters36 im elsaß-lothringischen Gemeinderecht hat es ihm sicherlich er¬ 
leichtert, dieses Risiko einzugehen. 
Moderne Zielsetzungen des Straßburger Städtebaus unter Bürgermeister Rudolf 
Schwander 
Von den Anfängen präventiver hygienischer Intervention bei der Wohnungsinspektion bis 
zum "System positiver Wohnungsfürsorge" bei der Sanierung eines Altstadt-Slums 
In der Altstadt von Straßburg war die Bebauung wegen des Bauverbots vor den Mau¬ 
ern wie in anderen Festungsstädten (Köln, Metz, Posen) äußerst eng verdichtet, was 
auch hygienische Probleme wie Überbelegung, Schmutz und Gestank zur Folge hatte. 
Im französischen, sehr stark am Recht des Eigentümers orientierten Rechtsdenken 
fehlten aber zunächst Vorschriften zur vorbeugenden Gesundheitspflege; - das hatte 
schon bald nach 1870 Reinhard Baumeister als - unzweckmäßige - Straßburger "Frei¬ 
heiten" kritisiert.37 Allerdings war Abhilfe schwer zu schaffen; im Städtebau des 19. 
Jahrhunderts war die Umgestaltung des Vorhandenen wegen der intensiven Konfron¬ 
tation mit bestehenden und bis dahin unangefochtenen Eigentumsrechten die schwie¬ 
rigste Form städtischer Intervention in die bauliche Gestalt der Stadt. 
Deshalb zeigte Baumeisters Kritik erst 1898 erste Wirkung, als ein Antrag des Ver¬ 
waltungsrechtsprofessors, Gemeinderats und Beigeordneten Otto Mayer38 ein in 
Frankreich schon lange außer Anwendung geratenes Gesetz vom 13. April 1850 gegen 
ungesunde Wohnungen erneut "reaktivierte". Zwar hatte schon 1881 der Bürgermei¬ 
sterei-Verwalter Stempel auf dieser Rechtsgrundlage eine "Kommission zur Unter¬ 
suchung ungesunder Wohnungen" eingerichtet - sie beanstandete aber nur 75 Häu- 
35 Gedrucktes Protokoll der Sitzung des Gemeinderats v. 10. Mai 1907, AMS-AM, Div. I, 
183/1386. 
36 Grasser, Particularités (Anm. 25), S. 8-10, Klein (Anm. 25), S. 41, sowie Hauswirth (Anm. 
26), S. 50-52 (Polizeivollmachten) und 93-95 (Baupolizei). 
37 Artikel von Reinhard Baumeister über die Straßburger Stadterweiterung, in: Deutsche 
Bauzeitung 15 (1881), S.13f., 17 (Abb.), 26-28, hier S. 26. 
38 Erk Volkmar Heyen, Die Verwaltungspraxis Otto Mayers in Straßburg und Leipzig. 
Kommunalpolitik auf dem Wege vom liberalen zum sozialen Rechtsstaat, in: Verwaltungs¬ 
archiv. Zs. für Verwaltungslehre, Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik 71 (1980), S. 44- 
59; bemerkenswert Backs Ansicht dazu, "die Theorie sei doch etwas sehr Praktisches" (S. 54). 
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