Sigrid Schmitt
Saargemünd 1890 - 1918
Stadtplanerische Probleme einer Kleinstadt in Elsaß-Lothringen
Die politische und administrative Situation des Reichslands brachte auch für die
städtebaulichen Handlungsstrategien und -möglichkeiten der kleineren Städte spezifi¬
sche Probleme mit sich. In der folgenden Untersuchung der Stadtplanung und Stadt¬
entwicklung von Saargemünd zwischen 1890 und 1918 sollen die technischen und
administrativen Aspekte und Verfahrensweisen im Mittelpunkt stehen, an denen
beispielhaft einige allgemeinere Probleme der Reichslandstädte deutlich werden. Wie
weit nahmen die Vorgesetzten Behörden Einfluß auf die Stadtplanung? Welche
anderen externen und internen Einflüsse prägten die Stadtplanung? Folgte die
tatsächliche Bebauung den Planungsvorgaben?
Die Grundlage der Untersuchung bildet das Quellenmaterial des Stadtarchivs von
Saargemünd. Die Quellenlage ist für diese Periode sehr gut; neben den Planungs¬
unterlagen für größere Alignementvorhaben liegt auch eine große Anzahl von Plänen
vor.
Kurzer Rückblick auf die Geschichte der Stadt Saargemünd
Die ummauerte mittelalterliche Stadt lag am Fuße des Schloßberges in einem Mäan¬
der der Saar und hatte die Form eines unregelmäßigen Fünfecks. Die Hauptstraße
war Teil der alten Handelsstraße von der Lombardei nach Flandern. Nach der
Beseitigung der Wälle (1725) dehnte sich die Stadt nach allen Richtungen aus, vor
allem nach Osten (1748 Bau der Katholischen Kirche, 1784 Kaserne). Die bauliche
Ausdehnung auf das rechte Saarufer erfolgte nach der Errichtung der neuen Brücke
im Jahre 1832. Durch die Ansiedlung von zahlreichen Fabriken und Behörden begann
seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die industrielle und kommerzielle Entwicklung von
Saargemünd. So kann man sagen, daß Saargemünd seit dem 18. Jahrhundert eine
Stadt von wachsender administrativer und wirtschaftlicher Bedeutung war.1
Zur Zeit der Angliederung des Reichslandes Elsaß-Lothringen war Saargemünd eine
Kleinstadt; sie gehörte zum Bezirk Lothringen und war Hauptstadt des Kreises
Saargemünd. Ihr unterstanden 4 Kantone und 25 Gemeinden.2 Saargemünd war nun
keine Grenzstadt mehr. Sie hatte die Möglichkeit, sich schneller zu entfalten und zu
1 Henri Hiegel, Sarreguemines, principale ville de l’Est Mosellan, Sarreguemines 1972, S. 11
u. 13-16. Didier Hemmert, L’esprit d’entreprise à Sarreguemines au milieu du 19e siècle, in:
Les cahiers lorrains No. 1, 1987, S. 64f. Sylvie Bertrand, Sarreguemines. Deux places urbaines,
Nancy 1986.
2 Der Regierungsbezirk Lothringen, Statistisch-topographisches Handbuch, Verwaltungs¬
schematismus und Adreßbuch, hrsg. v. G. Lang, Metz 1874.
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