das Oberarm*, eilten die katholischen Pastoren von Steinhausen und Hornbach herbei
und stießen, zumal der letztere, mit frechem Maul folgende Lästerworte aus: das seyen
Spitzbuben und Diebs-Streiche, die Reformierten konnten nichts beßer als Glocken
stehlen, die zu Hornbach hätten sie auch gestohlen. Da endlich unsere Gemeinde sich
auch bey diesen Scheltworten in ihrer contenance bliebe, sagte der Gerichtsmann Jacob
Pfeiffer, so mäßen wir Gewalt brauchen. Sogleich schickte derselbe nebst den beyden
Herrn Pastoren des catholischen Censors zu Steinhaußen Bastian Langen beyde Söhne
Georg und Friederich nach dem Dorf Rödelberg [Riedelberg] und einige andere Ort¬
schaften um die Catholische zu Hälfe zu rufen. Der Schultheis zu Rödelberg selbst
erschiene in kurzer Zeit mit seiner Gemeinde, welche durch einige von anderen Ort¬
schaften verstärcket ein troup von etwa 150 Mann ausmachten, und dem mit der
Glocke abgegangenen Wagen und dabey befindlichen Leuten in voller furie unter den
abscheulichsten Lästerworten gegen die Reformierten und mit Gabeln und Prügeln
bewaffnet bis gegen Kirschbach [Kirschbacherhof bei Dietrichingen] nachsetzten,
doch sie nicht mehr einholen konten. Besonders verdient angemerket zu werden, daß
die beyden Herrn Pastores diesem heiligen Zug beygewohnet und in vollem Sprung
mitgeloffen sind, und daß der Jacob Schäfer von Grossteinhausen sich mit seiner Axt
bewaffnet hatte. Hätte diese meistens aus ausländischen Leuten [gemeint sind damit die
Riedelberger - Riedelberg gehörte damals zu Hanau-Lichtenberg] bestehenden und
von den beyden Hn. Pastoren und dem Rödelberger Schultheis angeführte Rotte den
Wagen und dabey befindliche Leute noch einholen können, würden sie außer allem
Zweiffel ohne ihren heiligen Eifer verschiedenes aufgeopfert haben ... Schließlich
wurde durch Vermittlung des Oberamts den Katholiken die Anordnung des Bauamts
gezeigt. Die Reformierten konnten beim Oberamt erreichen, daß den Katholiken das
Eigentum an der Glocke abgesprochen wurde51.
Mit diesem Konflikt um die Besitzrechte an den Glocken hatten die konfessionellen
Streitigkeiten in Großsteinhausen ihren Höhepunkt erreicht. Die Querelen um die
Gottesdienstzeiten setzten sich solange fort, bis die Regierung nach langen Untersu¬
chungen am 23. Dezember 1762 eine neue umfassendere Verfügung erließ52. Einige
90 Zitiert nach Freiler (wie Anm. 86) S. 49f; auch von katholischer Seite ist die Auseinander¬
setzung um die Kirchenglocke überliefert worden: Den 29 novembris 1760 ist die große Glock
allhier gerissen als der calvinische Schuldiener Morgelglock gelitten. Sic testor Leonard curé, 29
septenibris 1760. 24 martii 1761 haben reformati die größere Glocke auf ein Bauambts Befehl,
den sie aber catholicis petentibus et resistentibus nicht wollten aufweisen, auf Ernstweiler zum
Umgießen geführt, welche aber ad petitionem catholicorum mit Arrest belegt worden, nachge-
hens mit reformatis zweimal vor Ambt erschienen, wo das zweite Mal der gedachte Befehl... in
originali aufgewiesen worden: endlich ist denen catholicis durch einen Regierungsspruch das
Eigentum abgesprochen worden... (Pfarrarchiv Großsteinhausen, 2. Kirchenbuch [Tauf-, Hei-
rats- u. Sterberegister] 1754 -1770; Filmkopie im Archiv des Bistums Speyer, Nr. 129/2).
91 KSchA Zweibrücken VI, Nr. 245.
92 Bezüglich der Gottesdienstzeiten wurde verordnet, daß die Katholiken um 10 Uhr die Kirche
verlassen müssen, damit reformati ihren Gottesdienst von 10 bis 12 Uhren verrichten können.
Von 12 bis 13 Uhr soll die Kirche den Katholiken überlassen sein, damit sie die Christenlehre
halten können; anschließend soll die Kirche den Reformierten für deren Kinderlehre von 13
bis 14 Uhr Vorhalten sein, mithin in einer solchen Zeit, wo die Jugend im Sommer nachmittags
mit dem Vieh noch nicht auf die Weide führt, halten und wann casualia bei den Lutheranis vor¬
genommen werden können. Und letztens aber muß die Kirche von denen beiden Protestanti¬
schen Religions Verwandten geräumet, und Catholicis zu ihrem cultui vespertino religionis
überlassen werden; welche dann sofort sich der Kirche bis nachts bedienen können. (KSchA
Zweibrücken VI, Nr. 246; Freiler (wie Anm. 86) S. 42f.
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