rheinische Chroniken'1 vermittelt, so daß nach der Stellung Sarrebourgs in der mittel¬
alterlichen lothringischen Städtelandschaft zu fragen ist, sowohl nach ihrem Rang
innerhalb der Städtehierarchie als auch danach, in welche Richtungen ihre Bewohner
sich vorzugsweise orientierten.
Die folgende Untersuchung gehört in den größeren Rahmen einer Erforschung des
mittelalterlichen Städtenetzes von Lothringen. Die Analyse von Zentralitätskriterien
und Ausstrahlungskreisen wird denn auch im Zentrum meines Referats stehen. Der
Blick richtet sich dabei mehr auf die historische Geographie als auf die Kirchenge¬
schichte - die Zuhörerschaft möge mir verzeihen -, aber diese Sichtweise gibt, wie
mir scheint, über gewisse Aspekte des Archidiakonats Sarrebourg besseren Auf¬
schluß.
Wenn man sich mit der kirchlichen Raumgestaltung dieses Gebietes im Mittelalter
beschäftigt, so fällt einem sofort die Besonderheit der Lage ins Auge: Das Archidia-
konat gehört zur Diözese Metz und grenzt an sechs weitere Diözesen, von denen vier
der benachbarten Mainzer Kirchenprovinz angehören (Mainz, Worms, Speyer, Stra߬
burg). So liegt es an der Grenze zwischen einem System territorialisierter Archidia-
konate (Diözesen Metz, Toul und Trier) und zentralisierter Archidiakonate (Mainzer
Kirchenprovinz), deren Sitz eng mit einem Kanonikerstift verbunden ist, das aber
nicht im Archidiakonat selbst, sondern in der Bischofsstadt liegt. Das große (171
Pfarreien im Pouillé des 16. Jhs.), fast rein deutschsprachige Archidiakonat Sarre¬
bourg verfügt auch über eine relative natürliche Einheit, denn das Gebiet seiner
sechs Archipresbyterate entspricht in etwa dem durch den Oberlauf der Saar, die
Blies und ihre Nebenflüsse gebildeten Becken. Sarrebourg selbst liegt innerhalb des
Archidiakonats exzentrisch und soll nun genauer betrachtet werden.
Die mittelalterliche Geschichte Sarrebourgs läßt sich in der Tat gemäß den Kriterien
der Zentralitätstheorie6 7 in drei große Perioden einteilen:
1. Relative Isolierung (10. - Ende 12. Jh.)
Gegenwärtig entsteht an der Universität Trier im Rahmen des Sonderforschungsbe¬
reichs „Zwischen Maas und Rhein“ ein systematisches Kartenwerk zu den Zentra¬
litätskriterien und der städtischen Ausstattung Lothringens um 1000, 1100 und 1200.
6 Die Sarrebourger „Gründungslegende“ scheint eine weitere Fassung des Mythos vom bibli¬
schen Ursprung der Germanen zu sein, der in Deutschland, ausgehend von einem Text des
Pseudo-Berosius, vor allem durch den italienischen Humanisten Annius von Viterbo (1432-
1502) Verbreitung fand. Hierzu: F. Staab, Quellenkritik im deutschen Humanismus am Bei¬
spiel des Beatus Rhenanus und des Wilhelm Eisengrein, in: „Historiographie am Oberrhein im
Spätmittelalter und in der Frühneuzeit“ (Hrsg. K. Andermann), Sigmaringen 1988 (=
Oberrheinische Studien, 7), S. 155-164. Prof. Staab danke ich hier für seine Anmerkungen
und bibliographischen Hinweise.
7 E. Meynen (Hrsg.), „Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsfor¬
schung“, Münster 1979 (Städteforschung, Reihe A, Bd. 8).
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