Keine Anhaltspunkte liegen vor, daß die später innerhalb der Kathedralgruppe vor¬
handenen Kollegiatstifte St. Peter maior und St. Maria rotunda bis in die karolingi¬
sche Zeit zurückreichen. In der Regel Chrodegangs und in dem Stationsverzeichnis
Metzer Kirchen aus dem späten 8. Jh.24 werden zwar im Kathedralbereich die Kirchen
Sancti Petri veteris, Sancti Petri maioris infra episcopium (später Sancti Petri ad yma-
gines genannt), Sancti Pauli supra claustrum und Sancta Maria erwähnt, aber eben
nur als Kirchen, nicht als Sitz von Klerikergemeinschaften. Ersterwähnung einer Kir¬
che und Ersterwähnung eines Kapitels sind streng voneinander zu trennen. Die in
St. Petrus maior gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aufgedeckten Chorschranken25
trennten in ähnlicher Weise wie in der frühen Metzer Kathedrale einen für die Kleri¬
ker bestimmten Chorraum (presbyterium) von dem für das Kirchenvolk bestimmten
Raum ab, aber er dürfte eher für die im Rahmen der Prozessionen und aus anderen
Gründen hierher kommenden Kathedralgeistlichen bestimmt gewesen sein als für ein
eigenes, vom Domkapitel unterschiedenes Stiftskapitel.
Ein anderer Ansatz zur Bildung von Kollegiatstiften ergab sich bekanntlich aus dem
Zusammenwirken und -leben mehrerer Kleriker in Stützpunkten auf dem flachen
Land, von denen aus sie die seelsorgerliche Betreuung und die kirchlich-organisatori¬
sche Erfassung der Bevölkerung angingen.
Als ältestes Kollegiatstift der Diözese Metz außerhalb der Stadt betrachte ich St.
Arnual, heute in der Landeshauptstadt Saarbrücken gelegen. Vor zwei Jahrzehnten
habe ich gemeinsam mit Erich Nolte26 versucht, aus Nachrichten des 17. und frühen
18. Jhs. über die Errichtung einer Klerikergemeinschaft durch den Metzer Bischof
Arnualdus in dem ihm von dem Merowingerkönig Theudebert II. geschenkten Dorfe
Merkingen an der Saar einen historischen Kern herauszuschälen. Zeigenössisch wird
die Existenz des Stiftes St. Arnual erstmals für das frühe 12. Jh. belegt durch die
Nachricht in der Vita des Albero von Montreuil, daß er vor seiner Wahl zum Erzbi¬
schof von Trier Propst von St. Arnual gewesen sei27. Die seitdem im Zusammenhang
mit der Sanierung der Stiftskirche vorgenommenen Grabungen führten zur Auf¬
deckung von mindestens vier Vorgängerbauten des heutigen gotischen Baues, u.a.
wurden dabei die Fundamente eines karolingerzeitlichen dreischiffigen Langhauses
mit einer Achsenlänge von gut 20 m freigelegt28. Dies sind Dimensionen, die weit
24 Gauthier (wie Anm. 22) S. 44, dort auch genaue Angaben zur Lage.
25 C. Heitz, Metz et son groupe épiscopal à l’époque pré-carolingienne et carolingienne. Egli¬
ses de Metz dans le haut-moyenage, Paris - Nanterre 1982, S. 5-13 (= cahier 4 du Centre de
recherches sur l’Antiquité tardive et le haut Moyen Age).
26 Hans-Walter Herrmann - Erich Nolte, Die Frühgeschichte de Stiftes St. Arnual und die
politische und kirchliche Erschließung des Saarbrücker Talraumes, in: Ztschr. f. d. Gesch. d.
Saargegend 19,1971, S. 52-123.
27 Gesta Alberonis, in: MGH SS Bd. 8 S. 247; vgl. zu Albero: H. J. Krüger, Albero, Erzb. v.
Trier, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 1 Sp. 283 und die Kurzbiographie von Michel Pa risse
in: Annuaire de la Soc. d’hist. et d’arch. de Lorraine 85,1971, S. 26.
28 Emanuel Roth, Die Stiftskirche St. Arnual in Saarbrücken, die vorgotischen Anlagen nach
dem Stand der Grabungen Ende 1985, in: Deutsche Kunst- und Denkmalpflege 44, 1986,
S. 109-118. Vgl. neuerdings: Vorromanische Kirchenbauten. Katalog der Denkmäler bis zum
Ausgang der Ottonen, Nachtragsband bearb. von W. Jacobsen, L. Schäfer, H. R. Senn-
hauser, München 1991 S. 354-355 mit teilweise abweichender Datierung der dreischiffigen
Anlage „Vom Typus her ottonisch“.
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