scher Städte und Regionen“ ein Sammelband über Leben und Arbeit im Saarrevier
zwischen 1840 und 1914 erschienen.157 Der Herausgeber verfolgte damit das Ziel, die
bis in die Gegenwart fortwirkenden Entstehungsvoraussetzungen und die entscheiden¬
den soziokulturellen Formungsprozesse nicht nur zu beschreiben, sondern an exem¬
plarischen Phänomenen und Prozessen zu analysieren und durch reiche Bebilderung
zu veranschaulichen. Unter „Industriekultur“ versteht er die Lebensformen, die durch
die Industrialisierung direkt oder indirekt hervorgebracht wurden oder entscheidend
von ihr geprägt sind. Die Beiträge von zwanzig Autoren/innen betreffen die gesell¬
schaftliche Entwicklung kurz vor der Industrialisierung, Entstehung und Verdichtung
des Verkehrsnetzes, Schaffung neuer Arbeitswelten und Betriebe, Entstehung von
Industriedörfern und Verstädterung, Bildung neuer sozialer Klassen (Bergarbeiter,
Hüttenarbeiter, Beamte, Unternehmer) und deren sozioökonomische Lage, Lebens¬
weise und soziale Identität, Aufgaben, Rolle und Probleme der Frauen, häuslicher
Lebensbereich und Familienleben, Entstehung moderner Krankenhäuser, Armut,
Schulsystem und Schulalltag, Aufblühen des Vereinswesens und neue Festkultur und
die Attraktivität der katholischen Kirche für den Arbeiter in seiner weitgehend
protestantisch dominierten Arbeitswelt. Je nach dem Forschungsstand konnten die
Autoren ein Resümee des bisherigen Forschungsstandes geben oder machten erste
Schritte in Neuland. Die Begrenzung ihrer Beiträge auf 10 bis 17 Seiten, einschließlich
der Bilder, verlangte eine Beschränkung auf das Ansprechen einzelner Phänomene und
ihre Veranschaulichung durch Einzelfälle und ließ keinen Raum für eine breite
Darlegung mit einem größeren wissenschaftlichen Anmerkungsapparat. Dieser Ver¬
such einer Zwischenbilanz verdeutlicht dem kritischen Leser die großen Forschungs¬
defizite, wird aber dem interessierten Laien einen ersten Überblick geben. Freilich
liegen noch zu wenige ähnlich ausgerichtete Aufarbeitungen anderer Industrieregionen
vor, um durch Vergleich spezifisch saarländische Entwicklungsprozesse und Verhal¬
tensmuster herauszuschälen.
Eine fast gleichzeitig erschienene Veröffentlichung von Armin Schmidt158 legt den
Schwerpunkt auf die Industriearchäologie, indem sie wichtige Industriedenkmäler des
Saarreviers anhand einzelner Vorarbeiten anderer Autoren, vor allem aber des
Staatlichen Konservatoramtes, vorstellt und die Bauten in ihren technik- und wirt¬
schaftsgeschichtlichen Kontext einzubetten versucht. Auch dieser Versuch ist zu
begrüßen, aber auch sein Charakter als Zwischenbilanz ist zu betonen.
Verkehrsstruktur, Versorgungseinrichtungen, Fürsorgewesen
Die Eröffnung neuer Strecken der Staatsbahnen innerhalb des Reviers,159 der Bau von
Klein- und Straßenbahnen, die meist in kommunaler Regie oder mindestens unter
157van Dülmen, Richard (Hrsg.), Industriekultur an der Saar. Leben und Arbeit in einer
Industrieregion 1840-1914, unter Mitwirkung zahlreicher Autoren, München 1989.
158 Schmitt, Armin, Denkmäler saarländischer Industriekultur. Wegweiser zur Industriestraße
Saar-Lor-Lux. Edition Saar, Saarbrücken 1989, zweisprachige illustrierte Ausgabe, hrsg. vom
Staatlichen Konservatoramt Saarbrücken in Abstimmung mit dem Landesdenkmalrat für das
Saarland.
139 Auflistung der Strecken bei Kurt Hoppstätter (wie Anm. 1).
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