derthälfte.124 Auszuleuchten wären auch die Aktivitäten saarländischer Unternehmer
in der regionalen und überregionalen Verbandsarbeit, im Rheinischen Provinzialland¬
tag und Preußischen Landtag.
Der jüdische Anteil am saarländischen Wirtschaftsleben wird von Albert Marx125
weder für die Zeit des Kaiserreiches noch für einen anderen Abschnitt der saarländi¬
schen Geschichte ausführlich beschrieben. Während mir in der Industrie für die Zeit
vor 1914 Beteiligungen nur an Brauereien126 bekannt wurden und sie sich im
Bankgeschäft auf das genannte Haus Lazard beschränkten, war der Anteil im Handel,
vor allem in der Textil- und Lederbranche,127 recht stark. In der Saarbrücker
Bahnhofstraße war eine Reihe größerer jüdischer Stoffhäuser und Konfektionsgeschäf¬
te ansässig, als ältestes und größtes die Firma J. Levy Söhne mit Zweigniederlassungen
in Saargemünd, Forbach, Völklingen und Luxemburg. In der Bahnhofstraße richtete
Wronker das erste Warenhaus ein, das spätere PK. Auch in anderen saarländischen
Städten waren in dieser Branche Juden engagiert.
Für die Haltung gegenüber den Juden, vier Jahrzehnte nach ihrer rechtlichen
Gleichstellung, erscheint mir ein Bericht des Saarbrücker Landrates von Richthofen
vom September 1883 nach der Selbstauflösung der Saarbrücker Handelskammer
bezeichnend. Da die alten Mitglieder bei Wiederwahl die Annahme des Amtes
ablehnen würden, sei damit zu rechnen, „daß fast ausschließlich Juden und Elemente,
deren Fernhaltung von der gedachten Körperschaft ebenso im Interesse des Staates wie
des gediegenen Handelsstandes liegt, in die Kammer gewählt würden.“128 Von den
Neuerscheinungen, die durch das Gedenken an die Pogrome vom November 1938
ausgelöst wurden, gehen einige auf jüdisches Leben im wilhelminischen Kaiserreich
ein.129
124Herrmann, Hans-Walter, Die wirtschaftlichen Führungskräfte im Saarland in der Zeit der
Frühindustrialisierung 1790-1850, in: Führungskräfte der Wirtschaft in Mittelalter und
Neuzeit 1350-1850 Teil I. Büdinger Vorträge 1968-1969, hrsg. von Herbert Helbig, Limburg
1973, S.281-309.
125 Marx, Albert, Die Geschichte der Juden an der Saar vom Ancien Régime bis zum Zweiten
Weltkrieg, phil. Diss., Saarbrücken 1985, eine erweiterte Fassung wurde schon für Herbst
1988 erwartet.
126 Anteil an der Hansa-Brauerei in Geislautern, Leopold Nathan entwickelte hier ein besonderes
Schnellgärungsverfahren.
127 Vgl. die kurzen firmengeschichtlichen Angaben in Handel und Industrie (wie Anm. 86)
S. 121, 143, 146, 185.
128Hellwig (wie Anm. 17) S. 51.
129 Geschichte der Juden im Saar-Pfalz-Kreis ( = Saarpfalz, Blätter für Geschichte und Volkskun¬
de, Sonderheft 1989), insbesondere S. 57 f., 59-65; Michael Landau (Hrsg.), Damit es nicht
vergessen wird. Beiträge zur Geschichte der Synagogengemeinden des Kreises St. Wendel,
St. Wendel 1988; Zur Geschichte der Juden in Ottweiler, Hrsg.: Jungsozialisten in der SPD,
Ortsverein Ottweiler 1988. - Vgl. auch einige Angaben zu Juden in der Westpfalz bei
Wilhelm Kreutz, Die Entwicklung der Berufs- und Sozialstruktur der Pfälzischen Juden
(1818-1933), in: Alfred Hans Kuby (Hrsg.), Juden in der Provinz. Beiträge zur Geschichte
der Juden in der Pfalz zwischen Emanzipation und Vernichtung, Neustadt 1988, S. 9-32.
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