Die Impulse, die bisher vor allem von Kohle, Eisen und Stahl auf die rasante
Entwicklung des deutschen Wirtschaftslebens ausgegangen waren, verlagerten sich
seit etwa den 80er Jahren allmählich auf andere Produktionszweige, und zwar die
Elektrotechnik, die Chemie und den Maschinenbau.34 Sie vermochten die Abnahme¬
rückgänge beim Eisenbahnbau nicht nur zu kompensieren, sondern sogar zu über¬
kompensieren, denn die Elektrotechnik und der Maschinenbau als auch die Chemie
hatten als Basis Eisen und Stahl sowie die Steinkohle. Daher auch entwickelten sich,
von der Elektrotechnik abgesehen, der Maschinenbau und bis zu einem gewissen
Grad auch die Chemie bzw. Kohlechemie in unmittelbarer Nähe der Kohle- und
Eisen- bzw. Stahlproduktionsstätten. Die Produktionsziffern bei Kohle und Eisen
liefern einen eindeutigen Beweis für die im Zusammenhang mit dem angesprochenen
Entwicklungsprozeß getroffenen Feststellungen. Während nämlich die deutsche Stein¬
kohleförderung 1870 bei 33 Mill. t gelegen hatte, stieg sie bis 1900 auf 109 Mill. t
und bis 1914 auf 190 Mill. t. Die Ziffern für die Roheisenerzeugung lauten: 1 391
Mill. t 1870, 7,9 Mill. t 1900 und 17,6 Mill. t 1914.35 Das saarländisch-lothringische
Montangebiet hatte, wie gesagt, an diesem weltweit beeindruckenden Industrialisie¬
rungsprozeß entscheidenden Anteil.
II.
Wiewohi die Entwicklung des Sekundärbahnnetzes seit etwa den 80er Jahren eine
gesamtdeutsche Erscheinung war, so hat man sie im saarländisch-lothringischen
Raum doch von speziellen Aspekten her zu sehen, und zwar einmal als Zubringer von
den Gruben zu den Hütten, zudem von den Gruben und Hütten zu den zweigleisigen
Linien, die für den Abtransport der Montanprodukte über die Reviergrenzen hinaus
vor allem in Frage kamen. Die Spezifika des saarländisch-lothringischen Sekundär¬
bahnnetzes ergeben sich aus der vor allem seit 1871, zum Teil auch schon früher
entstandenen engen Verflechtung von grundstofferzeugender und verarbeitender
Industrie. Sie beruhte auf den relativ nahe beieinander gelegenen Steinkohlevorkom¬
men an der Saar und den Minettevorkommen in Lothringen. Eine derartige Kombina¬
tion gab es in keinem der übrigen deutschen Reviere. Zwar wurden in Oberschlesien
Kohle und Eisenerze gefunden, doch die Eisenerzlager besaßen längst nicht die
Bedeutung wie die lothringischen; vielmehr zeichnete sich ihre Erschöpfung seit der
Mitte der 80er Jahre ab, mithin von dem Zeitpunkt an, als die Minette ihren
Siegeszug anzutreten begann.
Der saarländisch-lothringischen Gegebenheiten wegen hatte es beispielsweise Karl
Röchling in den rd. sechs Jahrzehnten seines unternehmerischen Wirkens - von 1850
34 Vgl. hierzu auch die Hinweise bei Hans-Ulrich Wehler, Das Deutsche Kaiserreich
1871-1918, in: Deutsche Geschichte, Bd. 3: 1815-1945, von Reinhard Rürup, Hans-Ulrich
Wehler, Gerhard Schulz, Göttingen 1985, S. 231.
35 Vgl. hierzu H. Zeissig (Hrsg.), a. a. O., S. 96. - In Frankreich stieg die Steinkohlenförde¬
rung von 16 Mill. t 1870 auf 33 Mill. t 1900 und 41 Mill. t 1914. Die Zahlen für die
Roheisenerzeugung lauten: 1 178 Mill. t 1870, 2,7 Mill. t 1900 und 5,2 Mill. t 1914. Für
Großbritannien lauten die Zahlen bei der Steinkohlenproduktion: 117 Mill. t 1870,
227 Mill. t 1900 und 292 Mill. t 1914; bei der Rohstahlproduktion: 6 059 Mill. t 1870,
8,7 Mill. t 1900 und 10,4 Mill. t 1914 (ebd.).
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